Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
74

werde auch ihr irdisches Wohl unfehlbar berathen: eine Er-
wägung, die, wenn sie ins Spiel kommt, derselben allen Werth
nimmt. — Die Ehre, diese uns wenigstens in Überresten
angestammte große Idee aus dem Mittelalter, an dessen
s glänzenden Hervorbringungen im Leben, wie in der Poesie
sie den entschiedensten Antheil hatte, indem sie die ritterliche
Tapferkeit und Liebe bildete, ist von den Aufklärern, besonders
schnöde, als eine abgeschmackte Chimäre, behandelt worden,
natürlich wegen der Unnützlichkeit, und weil hier das mit dem
10 eignen Vorth eil auf keine Weise passen will. Die Ehre ist
gleichsam eine romantisirte Sittlichkeit; hierin liegt es schon,
warum die Alten sie in diesem Sinne nicht kannten, was ich
auch daraus einzusehen glaube, daß bey den Alten Religion
und Moral mehr getrennt war; da nun das Christenthum
is das gesamte Thun des Menschen in Anspruch nahm, so rettete
sich das Gefühl von der Selbstständigkeit des sittlichen Strebens
dahin, und erfand neben der religiösen-Moral eine noch von
ihr s55ds unabhängige weltliche. Die ritterlichen Grundsätze
der Ehre werden also auch so lange nicht Wegfällen können,
so als das Christenthum einen so bedeutenden Einfluß auf unsre
Sittenlehre hat, als es bisher ungeachtet feines Verfalls, noch
immer ausgeübt. Aber fo nach den Quellen zu fragen,
findet der Aufklärer überflüßig, sondern schreitet mit seinem
oekonomischen Verstände gleich zur Verurtheilung.
25 Die aufgeklärte Theologie besteht zuvörderst in der
Foderung vollkommner Begreiflichkeit der Religion, also in
der Verwerfung aller Geheimnisse und Mysterien; wo sie sich
in einer geoffenbarten Religion finden, 'die man zum Scheine
noch will gellen lassen, werden sie wegerklärt. Das Unver-
3v nünftige in dem Bestreben alles auf Verständlichkeit zurück-
zuführen tritt hier im vollsten Maaße ein, denn der Mensch,
der ganz aus Widersprüchen zusammengewebt ist, kann sich
nicht mit seiner Betrachtung in das Unsichtbare und Ewige
verliefen ohne sich in einen Abgrund der Geheimnisse zu
35 stürzen. Ferner wird in dieser Theologie die Fantasie als

Über Duelle: Reichsanzeiger, Hennings.
 
Annotationen