Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
278

Die Elegie ist das Gebiet der Widersprüche zwar s219bs
aber gelinder und gefälliger Widersprüche: es wird darin ein
bewegtes Gemüth doch mit einer gewissen Ruhe, Hingebung
mit besonnener Contemplation, Wollust mit Wehmuth ver-
s einigt dargestellt. Eben diese Widersprüche sind nun auch in
ihrer metrischen Form ausgedrückt. Der Hexameter eignet sich
zu einem unendlichen Fortgänge in der Gleichförmigkeit seiner
Rhythmen, und verspricht ihn gewissermaßen; da man nun
das Distichon bis in die Mitte des Pentameters für hexa-
10 metrisch halten kann, so bricht es hier unerwartet plötzlich ab.
Und zwar geschieht dieß durch zwey Anapäste nach dem Mittel-
spondeen: da der Schluß einer Strophe mehr die gelinderen
und zum Fall sich neigenden Rhythmen liebt, so erfolgt hier
eine Umwendung des daktylischen in den anapästischen, also
is aus dem schwebenden oder eher fallenden in einen steigenden
Rhythmus. Dieß wird noch auffallender gemacht, wenn das
letzte Wort einen ganzen Anapäst oder noch mehr in sich faßt
und die Stimme also mit einem gewissen Anlaufe schließen
muß. Innerhalb der engen Beschränkung des Distichons scheint
20 durch die vielsylbigen Wörter wieder die epische Gränzentosig-
keit gesucht, und das Ziel dem Shre täuschend hinausgerückt
s220^ werden zu sollen. Uberdieß vermehrt die dadurch.her-
vorgebrachte ContinuiM die Weichheit des Verses. Der Über-
gang des Sinnes aus einem Distichon in das andre, hebt
25 gewissermaßen die enge Strophenbegränzung wieder auf und
nähert sich dem epischen Gange. Wenn der folgende Hexa-
meter daktylisch anfängt, so entsteht dadurch ein antispastisches
Zusammentreffen, welches aber nicht anders ist als es schon
in der Mitte des Pentameters Statt findet, die gelinde Disso-
30 nanz darin wird durch die folgenden daktylischen Rhythmen
sogleich wieder aufgelöst.
Für diesen irrenden Gang, diese nachläßigen Schönheiten
hatten die Römer vielleicht keinen Sinn; oder sie mußten auch
hier wie in andern Sylbenmaßen ein strengeres Gesetz annehmen,
35 wenn ihnen in ihrer härteren Sprache der Wohllaut nicht
verlohren gehen sollte. Außer der verminderten Mannich-
faltigkeit haben sie durch ihre Behandlung dem Distichon mehr
 
Annotationen