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Schlosser, Julius von [Hrsg.]
Der burgundische Paramentenschatz des Ordens vom Goldenen Vliesse — Wien, 1912

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https://doi.org/10.11588/diglit.3995#0010
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Die Ikonographie der Paramente folgt den herkömmlichen Bahnen. Frontier und
Dossier der Altarbehänge zeigen das Dogma der Dreieinigkeit (den >Gnadenstuhl«)
sowie die Jungfrau mit dem Täufer und St. Katharina, die Seitenbilder die Apostel
und Propheten in dem bis ins 17. Jahrhundert hinein festgehaltenen typologischen
Parallelismus der Darstellung des Symbolum apostolicum (vgl. Barbier de Montault,
Traite d'Iconographie ehret. II, 71).

Die Chormäntel haben als Hauptdarstellungen Christus als Weltenrichter zwischen
Johannes und Maria, ferner den Chor der Engel und Heiligen, wie sie die am Kar-
samstag rezitierte Allerheiligen-Litanei in typischen Reihen vorführt, unter Hinzu-
fügung der speziellen Lokalheiligen zu den allgemein angerufenen, die das Missale
Romanum enthält. Der Christusmantel zeigt die Cherubim unter Führung des Erz-
engels Michael mit dem Schwert des Gerichtes, dann die heiligen Diakone, die SS. Mar-
tyres, Pontifices und Sacerdotes; der Marienmantel den Verkündigungsengel,
S. Gabriel, die SS. Virgines et Viduae, der Johannesmantel S. Rafael mit dem Fisch des
Tobias und die Chöre der SS. Patriarchae et Prophetae, der SS. Monachi et Eremitae,
alle in bedeutungsvoll typischer Zusammenstellung. Die Kasula enthält außer der
großen Darstellung der Taufe noch die Verklärung Christi und Engelchöre; von den
beiden Dalmatiken zeigt die eine die Chöre der heiligen Jungfrauen, Frauen und
Witwen, die andere die der heiligen Bekenner, Lehrer und Mönche.

Technik. Die Paramente des Toisonordens sind das vornehmste Beispiel einer
Technik, die von ihnen den Gebrauchsnamen der »burgundischen« erhalten hat; sie ist
übrigens vom 15. bis 17. Jahrhundert in den verschiedensten Ländern,außer in den Nieder-
landen auch in Frankreich, Spanien,Italien, geübt worden (Riegl in Buchers »Technischen
Künsten« III, 178). Diese aus dem Verfahren der Weberei und Stickerei eigentümlich
kombinierte Technik hat schon Bock in seinem verdienstlichen Werk über die litur-
gischen Gewänder (Bonn 1859, I, 265) eingehend geschildert; am anschaulichsten
hat sie aber Jakob Falke in einem Aufsatze: Geschichtlicher Gang der Stickerei
(Lützows »Zeitschrift für bildende Kunst« IV, 1869, 281) beschrieben, so daß ich
seine Worte hiehersetze, die zugleich ein Dokument für die Erkenntnis der Technik
sind: »Die angewendete Technik ist vorzüglich von zweierlei Art, die eine für die Ge-
sichter und Hände (alle Fleischteile), die andere für die Gewänder und den archi-
tektonischen Grund. Das ganze ist gestickt auf einer Unterlage von grober Leinwand.
Darauf sind die Köpfe und Hände im freien Plattstich mit Seide ausgeführt, und
zwar in einer so vollendeten Weise, mit so zarten Übergängen der Töne, mit solcher
Verschmelzung der Farben, daß wir ein Ölgemälde vor uns zu haben glauben. Eigen-
tümlicher und fast wunderbarer noch in der Ausführung ist die zweite Art. Der ganze
übrige Raum der Einzelfelder nämlich, den die Figuren und die Architektur ein-
nehmen, ist zunächst mit einem Goldgrunde unterlegt worden, und zwar so, daß der
Goldfaden bis an den Rand des Feldes geführt und dort umgebogen wurde, um seinen
Weg zurückzulegen. So bildete sich eine Lage paralleler Goldfäden, die zu zwei und
zwei zusammengefaßt und mit Überfangstichen niedergenäht wurden. Auf diesem
Goldgrunde sind dann die Konturen aufgezeichnet worden, innerhalb welcher der
Sticker nach seinem Vorbilde die Malerei mit Seidenfäden zu schaffen hatte. Er hat
 
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