Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
IX

obwohl auch wir noch aus der positivistisch-empirischen Generation
herstammen, die sich naiv oder grobschlächtig »ästhetikfrei* wähnte,
niemals vergessen wollen und können, daß wir an »philosophischen"
Fakultäten lehren; leider hat ein mißgünstiges Schicksal es gefügt, daß
wir es nicht Seite an Seite tun können. Sie wissen nun, weshalb Sic
die Widmung dieses Wälzers sich selbst zuzuschreiben haben.

Ich hätte ihn nach alledem von Grund auf umarbeiten müssen und
sollen; aber dazu fehlt mir, noch mehr als die Zeit, die Überzeugung, daß
ich alle diese Probleme so zueit durchgedacht hätte, daß sie für mich zu
einem gewissen Abschluß gelangt wären; ich stehe noch immer in einer
Krise. Wenn ich das Buch nun trotzdem hinausgehen lasse, hat dies einen
rein praktischen Grund: daß es im Schul- und Forschungsbetrieb noch
eine Zeitlang eine gewisse Sendung erfüllen kann. Das bezeugen mir
die paar Rezensionen, die es erfahren hat, noch mehr aber viele Zuschriften,
die mir zum Teil auch von Männern, die andere Felder bebauen, als die
Kunstgeschichte, zugekommen sind. Es ist nicht Eitelkeit, wenn ich sage,
daß mich außer der schönen und warmen — zuohl allzu warmen —-
Rezension, zu der E. Steinmann nach Jahren seine Feder angesetzt
hat, nichts so sehr gefreut und in gewissem Sinn beruhigt hat, als die
lange, von einer sehr hohen Warte aus gesehene Besprechung eines mir
persönlich unbekannten englischen Gelehrten (dessen Namen, ff. Quigley,
ich erst vor kurzem erfahren habe) in den Litterary Times dieses Jahres;
gerade aus ihr ist mir aber noch klarer geworden, daß mein Wollen
und Vollbringen sich nur notdürftig decken.

So nehmen Sie denn, verehrter Freund, dies Buch auch in seiner ehr-
lichen, offen bekannten Armut freundlich hin; vielleicht daß ich es dereinst
noch durch ein besseres ersetzen kann.

Wien, am Weihnachtsfest 1922.

Ihr

J. s.
 
Annotationen