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Die Vorläufer Vasaris.

Freude an der Pracht nackter Menschenleiber nie gänzlich auszu-
löschen war.

Diese Stelle findet sich in der Vorrede der Viten an seinen Freund
Francesco di Sandro; sie wendet sich freilich zunächst geg-en die Päpste
des »barbarischen« Mittelalters, das Gelli, dem Geist seiner Zeit ent-
sprechend, mit den stärksten Ausdrücken der Verachtung bedenkt.
Die »deutsche« Baukunst, bar jeder Proportion, hat auch die Plastik
verdorben, mit ihren auf Kragsteinen kauzenden Figuren, die mehr
Ungeheuer als Menschen sind. Gelli führt ein Beispiel aus seiner Um-
gebung vor: die Portalstatuen von S.Paolo. Der Sohn der Renaissance
sieht sich vor das Problem gestellt, wie es möglich war, daß diese
Zerrbilder den Vorfahren als schön erscheinen konnten, wie er doch
annehmen muß, ihnen, die gleichwohl die Werke der Alten und die
Natur selbst vor Augen hatten. Und dazu gesellt sich die Barbarei
der griechischen Malereien, die alle nach einem Model gemacht
scheinen; gleich Vasari (und deutlich an diesen anklingend) entwirft
er eine Karikatur dieses Stils, in dem die hervorstechenden Merk-
male aus der Auffassung des Gegensätzlichen heraus gut beobachtet
sind: »CV piedi per lo lungho appiccati al muro et con le tnam aperte
e con certi visi stralunati e tondi, con occhj aperti che parevano spiritati*.
Seit Cimabue, dem Pfadfinder, hat sich aber die Kunst derart ent-
wickelt, daß sie die Alten nicht nur erreicht, sondern sogar über-
troffen hat; hier taucht die Anekdote von Michelangelos für antik
gehaltenem Eros auf. Michelangelo erscheint auch schon als der Gipfel-
punkt aller Kunst; seine Werke, die in Nachbildungen durch die
ganze Welt verbreitet sind, werden mehr als die Antike nachgeahmt.
Und hier kommt Gelli auf den eigentlichen Zweck seines Werkchens;
er will darin zeigen, daß Florenz Herd und Heimstätte der wahren
und modernen Kunst sei. Das Gefühl, aus dem diese Worte heraus-
geschrieben sind, wird sofort deutlich aus der kaum verhüllten Invektive
gegen Rom; es ist das Gefühl de,s alten, jetzt abdankenden und vom
Schauplatz abtretenden Hegemonenortes von Italien. Gelli nennt Rom,
das seit alter Zeit vom Kunstraub gelebt habe, bitter piuttosto un
ricettacolo di forestieri che una citta, wohin die Fremden alljährlich
wie auf einen Jahrmarkt ihre Produkte tragen, weil sie dort größeren
Gewinn denn anderwärts zu erhaschen hoffen.

Gelli sucht das ihn quälende Problem der mittelalterlichen Kunst
durch eine natürliche Periodizität (la natura osserva sempre questo
ordine) zu erklären; hohe alte Kulturen müssen durch äußere und
innere Gründe, Kriege, Seuchen, Rassenmischung mit schlechteren
Völkern, unabwendbar zu gründe gehen, und ihre Erneuerung kann
' nur durch das Genie auserwählter Menschen erfolgen. Das geschah
eben im Herzen Toskanas, durch Florenz. Mit Cimabue und Giotto
 
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