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Die Kunsttopographie; Beginn der Guidenliteratnr. IQI

wußte, zeigt der merkwürdige Brief, den Pietro Summonte 1524
an ihn richtete und der die älteste Ubersicht der neapolitanischen
Kunstgeschichte enthält.

Von besonderem Wert für uns sind Michiels Nachrichten über
Privatsammlungen, denen er begreiflicherweise besonderen Anteil
entgegenbringt und die einen großen Teil seiner Notizen füllen. Er
erwähnt gelegentlich Originale Giorgiones im eigenen Besitz und wir
können ihn uns ohne dies Korollar gar nicht denken. Namentlich der
ungemeine Reichtum der venezianischen Sammlungen jener Zeit er-
schließt sich hier in einer Weise, für die es anderwärts kaum ein
Gegenstück gibt. Von Werken von solcher Bedeutung wie der Josua-
rolle (heute im Vatikan), dem Breviarium Grimani, verschiedenen Ge-
mälden des Giorgione, ist hier die erste Nachricht gegeben; die un-
gemeine Rolle der kleinen Bronzeplastik wird uns greifbar, wie uns
Michiel denn z. B. von dem Bellerophon des Bertoldo (heute in Wien)
zuerst berichtet. Eine besondere, aus dem ganzen Mittel sich ergebende
Rolle spielt die altniederländische Malerei, derart, daß Michiel als
einer der ältesten Quellenschriftsteller für diese erscheint.

Vor allem wird hier aber die Stimme des gebildeten Dilettanten
im besten Goetheschen Sinne des Wortes vernehmbar, unbeeinflußt
von den Schulbefangenheiten, die der zünftig beschränkten Kritik,
vor allem der Vasaris, ankleben.

In knappen Sätzen verrät sich oft eine Beobachtungsgabe, die
des venezianischen Diplomaten würdig ist, neben einem feinen Kunst-
verständnis, das nicht so leicht seinesgleichen hat und uns daran er-
innert, welche Höhe das Kunsturteil in der venezianischen Welt jener
Tage erreicht hatte, auch wenn es sich, freilich in einer ganz anderen
Sphäre, nicht in der faszinierenden Figur des Pietro Aretino dar-
stellen würde. Neben mancher flüchtig hingeworfenen feinen Bemer-
kung fällt da z. B. die Schilderung von zwei Porträten des Gentile
da Fabriano (Notiz über Casa Pasqualino in Venedig von 1532) ins
Auge, in der eine ganz sachgemäße Charakteristik der malerischen
Wirkung versucht ist. Michiel bleibt auch seinen Gewährsmännern
gegenüber selbständig und hält mit seiner eigenen Meinung nicht
zurück. Auf äußere Beglaubigungen wie Inschriften hat er wohl ge-
achtet und sein Blick ist so sicher, daß die moderne Forschung viele
von seinen Zuschreibungen bestätigen konnte. Im Besitze einer aus-
gebildeten Kunstterminologie (das später so viel gebrauchte Wort
Galanterie für Nippsachen tritt z. B. schon bei ihm auf), weiß er
das Kunstwerk nach der ihn vorzüglich interessierenden formalen
Seite hin knapp und klar zu umschreiben.

In einen viel beschränkteren Kreis, doch gleichfalls nach Ober-
italien, führt uns eine andere, nicht weniger sympathische Figur. Wir
 
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