Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
202

Die Kunsltheorie Mittelitaliens vor Vasari.

Gemeinplatzes, den wir kennen, Tribolo. Viel anregender und von einem
gewissen Humor erfüllt ist der Brief Jacopos da Pontormo, der übri-
gens wie andere mit einem concetto plädiert, der in der Poetik der
späteren Renaissance eine bedeutende Rolle spielt, mit dem der
Schwierigkeit: die Zeit der Virtuosi, die diese Schwierigkeiten und
deren spielende Überwindung zur Schau zu stellen lieben, ist im
Anbrechen.

Die beiden ausführlichsten, aber auch steifsten und langweilig-
sten Gutachten rühren von Bronzino und Sangallo her. Es sind Leute,
die mit der Feder umzugehen und sich mit dem Humanistenmantel
zu drapieren wissen, auch manches wohlgesetzte Zitat all'antica an-
bringen. Das Elaborat des Sangallo ist sehr weitschichtig, aber nicht
eben klar gedacht; auch er arbeitet, doch im entgegengesetzten Sinne
wie Pontormo, mit dem Kriterium des *Difficile*. Immerhin fällt auch
hier manches Streiflicht auf die eigene Zeit; die Erwähnung der Kunst-
snobs, die vier schlechte Medaillen gesehen und ein paar Fachaus-
drücke aufgeschnappt haben, dann der malenden Frauen, namentlich
in Flandern und Frankreich, deren Werke auch in Italien geschätzt
würden, gehört hierher. Das letztere soll natürlich wieder ein Argu-
ment gegen die »leichte« Kunst der Malerei sein, denn eine meißel-
führende Frau erscheint noch als etwas Unerhörtes. Freilich war auch
da die Zeit nicht mehr allzu fern, wo eine Properzia de' Rossi als
ein Wunder gepriesen wurde.

In musterhafter Klarheit das Für und Wider abwägend, völlig
im Ton und in der Anlage einer akademischen Abhandlung, erscheint
dagegen das Gutachten Angelo Bronzinos: er ist nicht umsonst ein
Cruscanie gewesen. Freilich hat er uns über die alten Thesen hinaus,
die er vorführt, eben nicht viel zu sagen. Es ist derselbe unpersön-
liche Reiz der glatten und kühlen Oberfläche wie in seinen Bildnissen
vom Mediceerhof. Sein Brief scheint auch begreiflicherweise den
stärksten Eindruck auf den Literaten Varchi gemacht zu haben.

Am Schlüsse seines Werkchens hat dieser dann noch 'zwei Briefe
des Michelangelo abgedruckt, in dessen einem der große alte Meister,
der in die ganze Angelegenheit wohl nicht eben nach seinem Ge-
schmacke persönlich hineingezogen wurde, das Wort ergreift. In dem
zweiten, an Varchi selbst gerichteten, sagt er mit ernsten und doch
für den, der die Ironie herausfühlt, deutlichen Worten, daß der ganze
Streit im Grunde überflüssig und nur eine Zeitvergeudung für den
Künstler sei, denen er Goethes »Bilde, Künstler, rede nicht« ein-
schärft. Er selbst hat ja nicht mehr Zeit genug übrig und steht am
Rande des Grabes. Einem Anzapfungsversuch Vasaris gegenüber
hatte er sich, wie dieser in seinem Briefe an Varchi selbst berichtet,
ganz anders und schärfer ausgedrückt; der Interviewer konnte nichts
 
Annotationen