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Schlosser, Julius
"Stilgeschichte" und "Sprachgeschichte" der bildenden Kunst: ein Rückblick — München: Verl. der Bayer. Akad. d. Wiss., 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.45317#0032
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Julius von Schlosser

bar wird (das Thema „Faust“ in der Literaturgeschichte, die
„Madonna“ oder der„Putto“in der Kunst usw.) und die wieder-
um besonders Croce mit beißendem Spott verfolgt hat. Die an-
scheinend so naheliegende Parallele mit der Problemgeschichte
der Philosophie — etwa in der glänzenden Darstellung dieses
Themas in einem bedeutenden Werke Windelbands verkörpert —
ist also falsch; mit Recht hat schon ein feiner Kopf wie Jean Paul
in seiner Vorschule der Ästhetik vor Parallelen aus einander ganz
fernliegenden Gebieten gewarnt, so scheinbar sie auch zunächst
aussehen mögen: ein Vorwurf, der den modernen „geistesge-
schichtlichen“ Darstellungen nicht erspart bleiben kann, ebenso
wie etwa den gewaltsamen Übertragungen von H. Wölfflins Ka-
tegorien des Sehens auf die Literaturgeschichte, was nament-
lich Voßler mit Recht sehr skeptisch aufgenommen hat. Damit
sind wir aber an die Schwelle unserer zweiten, schon eingangs
erwähnten Fragestellung gelangt: Wie und in welcher Weise ist
eine Behandlung dieser Probleme, die innerhalb der Stilgeschichte
nur Scheinprobleme sind, denkbar? Das will heißen: Gibt es
eine Sprachgeschichte der bildenden Kunst, und wie müßte
sie beschaffen sein ?
Es ist notwendig, vorerst etwas weiter auszugreifen. Auf dem
Titelblatt von Croces Ästhetik steht neben dem einen Untertitel:
„als Wissenschaft vom reinen Ausdruck“ noch der andere: come
linguistica generale, als „allgemeine Sprachwissenschaft“. Er ist
zunächst gar nicht oder falsch verstanden worden. Ich glaube
doch der erste deutsche Kunsthistoriker gewesen zu sein, der
(in einem Beitrag zu der Festschrift für Wickhoff 1903) auf die-
ses bedeutende Buch hingewiesen hat, aus dem ich noch so vie-
les lernen sollte. Der Concetto an sich ist ja schon früher an-
geklungen; so bei D’Agincourt, der auch wohl als Erster den
Gedanken der Kunstsprache hat; und wenn man bei Quatremere
de Quincys Ausspruch über die Kunst als einer „langue sen-
sible“ noch an ein Gleichnis denken könnte, so hat Hermann
Hettner schon ganz unzweideutig gesagt: „Kunst ist Sprache,
nichts als Sprache, freilich nicht in Begriffen.“ Daß die „Wort-
sprache“ nicht die einzig vorhandene ist, obwohl sie a priori mit
dem Ausdruck „Sprache“ belegt wird, ist allbekannt; was man
„Gebärdensprache“ zu nennen pflegt und was vom psychologi-
 
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