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Grundlegung

Möglichkeit des Schweifens mit den Blicken darüber hinaus sorgt immer
dafür, daß wir nicht in zwingende Abhängigkeit geraten, und auch
sonst ist im künstlerischen Raumgebilde, wie wir weiter verfolgen
werden, für den freien Aufschwung ohnehin gesorgt.
An die Reihenfolge sinnlicher Eindrücke bleibt unsre Einfühlung
in der Nähe gebunden: dort die unorganische Masse in stereometrischer
Form, oder die Raumleere dazwischen von den Grenzen dieser Ge-
staltung mit umschlossen; hier der lebendige Mensch im Vollzug seines
pendelnden Ganges, von optischen Reizkomplexen oder unbezeichneten
Reizpausen bestimmt, die sich sofort in die Tastregion des atmenden
Leibes übertragen und dort auch die mimische Erregung in die un-
beschäftigten Glieder strömen lassen, so daß der mechanische Ab-
lauf der Ortsveränderung wie das freiere Schweifen der Blicke sich
mit heimlichen oder offenkundigen Ausdrucksbewegungen durchsetzen,
die wir nicht selten auf rhythmischer Vermittlung beider Zonen er-
tappen, bei südländischen Naturen sogar geflissentlich aufgenommen
und zur eigenen Genugtuung hervorgebracht sehen. Aus den drei
Faktoren der lokomotorischen, der mimischen und der optischen Be-
tätigung wächst die Rhythmik des Erlebens solcher Wandelbahn zu-
sammen, wesentlich angeregt durch den Parallelismus der Arkaden-
reihen, und die oberen Extremitäten, die sich sonst eingreifend zu
beteiligen pflegen, walten auch dabei ihres natürlichen Amtes, wenn
auch nirgends handgreiflich, doch überall vermittelnd und ausgleichend
zwischen Gang- und Blickbewegung. Gerade weil die praktische Ver-
wendung dieser Glieder ausgeschaltet ist, im Heiligtum für die Innen-
welt, wandelt sich alle Energie der Innervation in Einfühlung und Ge-
baren an der Hand der künstlerischen Raumgestaltung um.
Die Wellenhebungen, die unsern Gang als „aufsteigende Dipodie“
begleiten, lenken auch die mimische oder kryptomimische Betätigung
des menschlichen Subjekts nach oben, in objektiv vorgezeichnete
Bahnen. Wie der Umschwung der Rundbögen mit dem Aufstieg der
Säulen abwechselt, und von beiden Seiten her maßgebend auf unser
Körpergefühl einwirkt, weil unsre Augen, nach welcher Hälfte des Rau-
mes sie auch hinüberneigen, stets dem Parallelismus der Grenzen be-
gegnen, so bieten die Obermauern in der Basilika als glatte Flächen
schon beiderseits ein gleichmäßig ausgebreitetes Sehfeld für die schwei-
fenden Blicke dar. Hier hört das leibhaftige Vorspringen und Zurück-
treten der Körperwelt drunten auf, mit dem letzten Simsrand über dieser
untern Ordnung hin, und nun tritt dem rein optischen Verhalten unsrer
 
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