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Schmitt, Otto
Oberrheinische Plastik im ausgehenden Mittelalter: eine Auswahl — Freiburg im Breisgau: Urban-Verlag, 1924

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https://doi.org/10.11588/diglit.55585#0022
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10
Vergleicht man die Mainzer Plastik des späten Mittelalters als
Ganzes mit der Kölnischen und der oberrheinischen, dann besteht
kein Zweifel, daß sich die näheren Verwandten stromaufwärts
finden. Daß Worms und die Pfalz, die unter sich überhaupt nicht
zu trennen sind, im ganzen Mittelalter mehr nach dem Oberrhein
als nach Mainz tendieren, braucht kaum mehr bewiesen zu werden.
Wie die Haardt ein Ausläufer der Vogesen, so ist die pfälzische
Kunst (östlich der Haardt vor allem) ein Absenker der elsässi-
schen. Bei der Spärlichkeit des erhaltenen Materials läßt sich
freilich der Beweis nicht lückenlos führen; aber wie die Wormser
Bildhauerkunst schon im 13. Jahrhundert von Straßburg abhängig
ist, so stehen auch noch die im späten 15. geschaffenen Reliefs
des Domkreuzgangs in engen Beziehungen zum Elsaß. Ja, elsäs-
sische Vorposten schieben sich bis tief nach Rheinhessen hinein.1
Dieses ganze Gebiet, das sich also nur unter Vorbehalt mit
dem geographischen Begriff der oberrheinischen Tiefebene gleich-
setzen läßt, zerfällt in zwei schmale Streifen, das linksrheinische
Elsaß und das rechtsrheinische, in der Hauptsache von dem
heutigen Baden eingenommene Land. Es wäre aber falsch, den
Rhein, der in seinem Oberlauf noch schmal und wenig tief ist,
für eine unüberbrückbare Grenze zu halten. Wie bereits im 13.
und 14. Jahrhundert, so stehen auch im 15. und frühen 16. beide
Rheinufer in regen Beziehungen zu einander, und bei mehr als
einer spätgotischen Skulptur vom Oberrhein muß die Frage offen
bleiben, ob sie auf der linken oder rechten Stromseite ent-
standen ist. In anderen Fällen lassen sich freilich auch merkliche
Unterschiede wahrnehmen. Um nur einen zu betonen: Jene wild
und bizarr ausartende Spätgotik, die man als spätgotischen Barock
zu bezeichnen pflegt, scheint eine typisch rechtsrheinische (Breis-
gauer) Erscheinung zu sein, und die entgegengesetzte, eklektisch-
1 So trägt eine Madonna im Hochaltar der kleinen Kirche zu Biebelnheim (Kreis
Oppenheim) ausgesprochen elsässisches Oepräge, und auch eine Kreuzigungsgruppe
aus Trechtingshausen im Bonner Provinzialmuseum läljt an den Oberrhein denken.
 
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