Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schmitt, Otto
Oberrheinische Plastik im ausgehenden Mittelalter: eine Auswahl — Freiburg im Breisgau: Urban-Verlag, 1924

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.55585#0023
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
11
akademische Richtung, die mit Vorliebe Holzschnitte und Stiche
Dürers in zarten Reliefs nachbildet, spielt im Elsaß eine größere
Rolle als in Baden, obwohl sie auch hier nicht unbekannt ist.
Noch in einem anderen Punkt läßt sich die oberrheinische
Skulptur der Spätgotik mit der des 13. und 14. Jahrhunderts ver-
gleichen. Straßburg behält auch im späten Mittelalter seine über-
ragende Bedeutung als Zentrum der oberrheinischen Kunst,
wenngleich nicht in dem Maße absoluter Alleinherrschaft, das
es im Zeitalter der Früh- und Hochgotik innegehabt hatte. Wie-
weit freilich gerade das Straßburger Münster Sammelbechen und
Ausstrahlungspunkt war, läßt sich heute schwer feststellen. Denn
von den zahlreichen Altären, die es bis zur Reformation besaß,
ist nicht einer an Ort und Stelle geblieben, weitaus das meiste
überhaupt zerstört. Der einzige wenigstens noch in Bruchstücken
nachweisbare Altar des Straßburger Münsters, der Fronaltar, muß
freilich einen hohen Begriff von den künstlerischen Ansprüchen
der Straßburger am Vorabend der Reformation geben. Aber im
ganzen ist ja das Wohl und Wehe der spätgotischen Bildhauer-
kunst überhaupt nicht mehr in dem Maße mit den großen Bischofs-
kirchen verknüpft wie in frühgotischer Zeit, da die Bildhauer nicht
mehr an die Bauhütte gebunden, sondern frei in Zünften orga-
nisiert sind. Gewisse wirtschaftliche und soziale Wandlungen im
späteren Mittelalter — von allgemein-geistigen ganz zu schwei-
gen — haben die Souveränität der Kathedrale zurückgedrängt und
dafür der städtischen Pfarrkirche eine enorme Bedeutung gegeben.
Aber die Existenz einer so großartigen und anspruchsvollen
Bischofskirche wie des Straßburger Münsters, das ja zudem auch
Hauptpfarrkirche dieser größten und reichsten Stadt am Ober-
rhein war, ist natürlich doch nicht ohne Einfluß auf das Kunst-
leben geblieben. Das Straßburger Münster hat zu allen Zeiten
große Aufträge gestellt und zu Stiftungen angespornt. Neben dem
Münster gab es aber in Straßburg noch zahlreiche andere Kirchen,
die einen ununterbrochenen Bedarf an Kunstwerken hatten. Für
 
Annotationen