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Schneidmüller, Bernd
Nomen Patriae: die Entstehung Frankreichs in der politisch-geographischen Terminologie (10. - 13. Jahrhundert) — Sigmaringen, 1987

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https://doi.org/10.11588/diglit.41165#0069
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konstatieren können, läßt sich in späteren Quellen in solcher Dichte nicht mehr verfolgen. Das
Fortleben eines aquitanischen Sonderbewußtseins, das sich erstmals in der Zeit nach 1000 bei
Ademar fassen läßt, wird dann in einem späteren Abschnitt über die im Zusammenhang mit den
Albigenserkriegen entstandenen Quellen zu beobachten sein.
Bieten die Schriften Rudolfs und Ademars Anlaß zum punktuellen Zugriff der Begrifflich-
keit, gewähren die umfangreichen Zeugnisse aus der Normandie und aus Flandern die
Möglichkeit, die Entwicklung der Terminologie in einem Längsschnitt zu verfolgen. Gerade in
der ununterbrochenen Auseinandersetzung zwischen Regional- und königlicher Zentralgewalt
im Norden des heutigen Frankreich, die sich in einer kontinuierlichen Ffistoriographie
niederschlug, wurden begriffliche Abgrenzungen und Zuordnungen notwendig, deren Genese
wir auf Grund des reich überlieferten Materials nachzeichnen können.

a) Die Historiae Rudolf Glabers
Aus dem burgundischen Herzogtum, das unter Robert II. zeitweilig der Krondomäne einver-
leibt worden war und in der Folge von kapetingischen Seitenlinien mit schwacher herzoglicher
Gewalt regiert wurde1), liegt aus dem frühen 11. Jahrhundert eine bedeutende Quelle vor, die
im Umkreis der monastischen Reformbewegung Clunys entstand. Die nicht vollendeten
Historiae Rudolf Glabers entstanden in Cluny und Auxerre1 2) und wurden Abt Odilo von
Cluny gewidmet3). Rudolf Glaber, Ende des 10. Jahrhunderts geboren, hielt sich vermutlich
von 1026 bis 1033 in Cluny auf und nahm in seine Geschichtsschreibung, von der modernen
Quellenkritik als nicht allzu zuverlässig eingestuft4), Elemente jenes Reformgeistes auf, ohne
freilich die genauen historischen Kenntnisse zu besitzen, die im Umkreis der Äbte von Cluny
erwartet werden dürfen. Im Herzogtum Burgund, an der Grenze zum ursprünglich selbständi-

1) Allgemeine Überblicke über die Entwicklung der französischen Prinzipate geben Karl Ferdinand
Werner, Hb. der europäischen Geschichte 1, S. 767ff.; P. Feuchere, Essai sur l’evolution territoriale des
principautes fran?aises (Xe-XIIIe siecles), in: MA 58,1952, S. 85-117; Jan Dhondt, Etudes sur la naissance
des principautes territoriales en France (IXe-Xe siede), Brügge 1948 (Rijksuniversiteit te Gent. Werken
uitgegeven door de Faculteit van de Wijsbegeerte en Letteren 102). - Zu Burgund speziell M. Chaume, Les
origines du duche de Bourgogne, 2 Tie. in 4 Bdn., Dijon 1925-31; Jean Richard, Les ducs de Bourgogne et
la formation du duche du XIe au XIVe siede, Paris 1954 (Publications de l’Universite de Dijon 12).
2) So Ernst Sackur, Studien über Rodulfus Glaber, in: NA 14, 1889, S. 377-418.
3) Rudolfus Glaber, Historiarum libriV, ed. Maurice Prou, Paris 1886 (CT); zum Autor Manitius2,
S. 347-353; Heinrich Kuypers, Studien über Rudolf den Kahlen (Rodulfus Glaber), Phil. Diss. Münster,
Goch 1891; Margarete Vogelsang, Der cluniacensische Chronist Rodulfus Glaber. Ein Beitrag zur
cluniacensischen Geschichtsschreibung, in: SMOSB 67, 1956, S. 25-38, S. 277-297.
4) Manitius2, S. 347 charakterisiert dies: »Denn wenn man in ihm (sc. dem Werk) auch einen gewissen
chronologischen Faden erkennt, den die Regierungen der Kaiser und der westfränkischen Könige abgeben,
so sind doch seine einzelnen Teile zeitlich äußerst verwirrt, und man möchte sagen, er schrieb das, was ihm
gerade einfiel.«

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