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Schneidmüller, Bernd
Nomen Patriae: die Entstehung Frankreichs in der politisch-geographischen Terminologie (10. - 13. Jahrhundert) — Sigmaringen, 1987

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https://doi.org/10.11588/diglit.41165#0234
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9. Rex — corona — regnum.
Die kapetingische Verwaltungssprache
im 12. und 13. Jahrhundert

Nach dem Reduktionsprozeß der Francia auf einen Teil Nordfrankreichs, Kernlandschaft
spätkarolingischer und kapetingischer Könige, und nach dem Funktionswandel frühmittelal-
terlicher Anschauungen von fränkischer Geschichte und Sendung in der Welt zu einer
hochmittelalterlichen politischen Theorie der Franzosen stand keine geographische Bezeich-
nung für den größeren Lehnsverband des kapetingischen Fferrschers zur Verfügung. Die
machtpolitische Beschränkung auf den franzischen Raum beförderte vermutlich die stringente
Ausbildung exklusiver Vorstellungen von König, Reich und Volk, die freilich einen weiteren
Herrschaftsanspruch implizierten. Der Herrscher wurde dann nicht nur in unverbindlichen
Urkundendatierungen königsferner Vasallen formal als Oberlehnsherr anerkannt, er verstand
sich selbst politisch wie rechtlich als Herr über ein Reich, das aus den karolingischen Teilungen
des 9. Jahrhunderts hervorgegangen war und von der Maas bis zu den Pyrenäen, vom Ozean bis
zum Mittelmeer reichte, ohne daß jener Anspruch in einer Schwächephase der Monarchie im
10. bis frühen 12.Jahrhundert hätte aktualisiert werden können; vielmehr konnten sich
mächtige Vasallen vor allem im Westen und Süden des Reichs politisch weitgehend verselbstän-
digen^.
Solange der König seine Herrschaft über Land auf die Francia, seine direkte Macht über
Leute auf Franci und vielleicht noch Burgundiones beschränkte, drängten sich Probleme in der
Bezeichnung dieses politisch weitgehend fiktiven Lehnsverbandes allenfalls theoretisch auf und
lassen sich in den Quellen nicht belegen. Versucht man nämlich, den Begriff des regnum
Francorum oder, seltener, des regnum Franciae in den Quellen des 11. und noch des frühen
12. Jahrhunderts zu definieren, so gelangt man zu keinem eindeutigen Ergebnis. Zum einen
wird nämlich die Hausherrschaft des Königs und seine Domäne, zum anderen auch sein
Lehnsverband oder eine dem König irgendwie zugeordnete Sphäre so benannt, selten nur ein
geographischer Raum. Diese Zuordnung des regnum zum rex änderte sich auch im hohen
Mittelalter nur langsam, und Lewis hat jüngst wieder auf die retardierenden Elemente
aufmerksam gemacht1 2\

1) Dies zeigt sich beispielsweise in der königsgleichen Stellung, die der aquitanische Krönungsordo dem
Herzog zumaß; dieser Ordo ad benedicendum ducem Aquitaniae (HF 12, S. 451—453) muß nach Hartmut
Hoffmann, Fürstenweihen, S. 108 f. als echt angesehen werden. Der Text entstand um 1200 als »Privatar-
beit eines Limousiner Geistlichen« (Hoffmann, S. 108).
2) Andrew W. Lewis, Succession; vgl. auch Bernd Schneidmüller, Reich.

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