IV.
Die Vermuthung, dass der Kairener Kopf einheimischer Kunst angehöre, lässt sich
auch auf stilistischem Wege begründen.
Deutlich und schon öfters hervorgehoben ist der Unterschied zwischen ihm und
den pergamenischen Sculpturen der attalischen Epoche. Es ist ein Unterschied nicht
nur in den Formen, sondern auch im Vortrag. Während jene noch im Marmor die
an Guss und Ciselirung gewöhnte Hand des Toreuten verrathen, ist dieser Kopf
im reinsten Marmorstil erfunden und ausgeführt. Dort sehen wir ein scharfes Ab-
setzen der Flächen von einander, eine merkwürdig scharfkantige, recht bronzemässige
Behandlung der Haarlocken und des gelegentlichen Beiwerks, wie der Splitter der
Lanze der neapler Amazone (28), die kühne Unterarbeitung des flatternden Mäntelchens
des ludovisischen Galliers und der auf seine Stirn vorfallenden Locken. Diese und
viele andere Züge stimmen zu dem Bericht des Plinius (XXXIV, 84) und dem Befund
des Schlachtenmonuments, wonach wir in Pergamon eine hochentwickelte Giesshütte
vorauszusetzen haben, deren Schöpfungen uns allein aus jenen gleichzeitigen, wie es
scheint stilistisch wenig veränderten Marmornachbildungen bekannt sind (29).
Hier haben wir dagegen die flotteste und kühnste Marmortechnik, ein freies
Herausarbeiten der wesentlichen Züge direkt aus dem Marmor mit leichter, oft nur
flüchtiger Andeutung des Nebensächlichen. Mit wenigen Meiselstrichen wird der
Kinnbart angedeutet, eben nur skizzirt ist der Lippenbart und das Mähnenhaar auf
Scheitel und Schläfen. Aber die weiche, gefühlte Ausführung von Wangen, Stirn und
Augen verschafft dem Kopf gleichwohl die Wirkung einer fertigen Arbeit.
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Die Vermuthung, dass der Kairener Kopf einheimischer Kunst angehöre, lässt sich
auch auf stilistischem Wege begründen.
Deutlich und schon öfters hervorgehoben ist der Unterschied zwischen ihm und
den pergamenischen Sculpturen der attalischen Epoche. Es ist ein Unterschied nicht
nur in den Formen, sondern auch im Vortrag. Während jene noch im Marmor die
an Guss und Ciselirung gewöhnte Hand des Toreuten verrathen, ist dieser Kopf
im reinsten Marmorstil erfunden und ausgeführt. Dort sehen wir ein scharfes Ab-
setzen der Flächen von einander, eine merkwürdig scharfkantige, recht bronzemässige
Behandlung der Haarlocken und des gelegentlichen Beiwerks, wie der Splitter der
Lanze der neapler Amazone (28), die kühne Unterarbeitung des flatternden Mäntelchens
des ludovisischen Galliers und der auf seine Stirn vorfallenden Locken. Diese und
viele andere Züge stimmen zu dem Bericht des Plinius (XXXIV, 84) und dem Befund
des Schlachtenmonuments, wonach wir in Pergamon eine hochentwickelte Giesshütte
vorauszusetzen haben, deren Schöpfungen uns allein aus jenen gleichzeitigen, wie es
scheint stilistisch wenig veränderten Marmornachbildungen bekannt sind (29).
Hier haben wir dagegen die flotteste und kühnste Marmortechnik, ein freies
Herausarbeiten der wesentlichen Züge direkt aus dem Marmor mit leichter, oft nur
flüchtiger Andeutung des Nebensächlichen. Mit wenigen Meiselstrichen wird der
Kinnbart angedeutet, eben nur skizzirt ist der Lippenbart und das Mähnenhaar auf
Scheitel und Schläfen. Aber die weiche, gefühlte Ausführung von Wangen, Stirn und
Augen verschafft dem Kopf gleichwohl die Wirkung einer fertigen Arbeit.
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