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Anton Schroll und Co. (Wien)
Almanach des Verlages Anton Schroll & Co: Kunst, Dichtung, Kunstgewerbe — Wien: Anton Schroll, 1926

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https://doi.org/10.11588/diglit.68619#0111
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mitiv eingerichteter Räume in Rats- und Rürger-
häusern1.
Die Zunahme der weltlichen Zwecke bedingte auch
eine Änderung der geistigen und künstlerischen Ziele.
Das Streben nach monumentaler Wirkung, wie es für die
romanischen Teppiche bezeichnend war, weicht klein-
licheren dekorativen Absichten, die durch kräftige, scharf
abgesetzte Farbtöne und holzschnittartige Umrißlinien
unterstützt werden. Der Wetteifer mit der Wandmalerei
wird von Versuchen abgelöst, die Rildform in die textile
Struktur einzufühlen, einen dieser adäquaten Stil zu
schaffen. Die eindrucksvolle Größe der Einzelgestalt
verschwindet neben dem erwachenden Interesse an der
Vielfältigkeit des sachlichen Details, am Gegenständ-
lichen der Darstellung. Das ikonographische Programm
weitet sich. Der christliche Rilderkreis wird durch die
Illustration seltener Heiligenlegenden, der weltliche
durch die Aufnahme einer Fülle von Stoffen aus der
mittelhochdeutschen Dichtung, von Motiven aus dem
alltäglichen Leben bereichert.
Mit Ausnahme der Ruchillustrationen läßt sich auf
keinem anderen Gebiet künstlerischen Schaffens eine
so enge Durchdringung und Verschmelzung zwischen
Dichtung und Kunst, eine so unbefangene Einführung
in rein geistige, von Formproblemen gelöste Erlebnis-
1 Mit dieser weltlich-bürgerlichen Orientierung hängt es zusammen,
daß die Herstellung der Wirkereien nicht mehr zum größten Teil
in den Händen der Nonnen lag, sondern daß neben den Frauen
der Bürger eigens qualifizierte Arbeiter oder Arbeiterinnen — wie
uns solche z. B. in Basel urkundlich überliefert sind — die Wirk-
kunst als Gewerbe betrieben.

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