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72 Das Christenthum und die vornehme römische Welt.

zu demselben Ziele, nur musste die letztere Entwicklung
eher zu demselben gelangen und aus der Sphäre der heid-
nischen Kunst, die sie so lange geathmet, lebhaftere Remi-
niscenzen bewahren. Natürlich waren es immer bestimmt
gestaltete Verhältnisse, welche dieses Verfahren, eine Kunst
in die Kirche einzuführen, hervorriefen und bedingten.
Der Gedanke der Universalität des Heils, welchen der
Apostel Paulus zuerst erfasst und in harter Arbeit ge-
wahrt hat, führte das Evangelium aus den Banden juden-
christlicher Engherzigkeit in die Welt des Heidenthums.
Seine Werbung, die sich anfänglich nur auf die untersten
Klassen der Gesellschaft, auf die Sklaven, die Freigelassenen,
die Handwerker beschränkte, durchbrach bald in mächtiger.
Revolution die Dämme und Schranken, mit denen ein ent-
sagungsfeindlicher Egoismus und eine vornehme Welt-
bildung sich abgeschlossen hatten, so dass bereits im.
3. Jahrh. ein christlicher Apologet auf zahlreiche Glaubens-
genossen im Richter- und Senatorenstande, im Heere und
selbst am kaiserlichen Hofe sich berufen darf1). Wie
schon bemerkt, war die das Zeitalter charakterisirende
Vorliebe für ausländische Götter und Culte dem Christen-
thume, das in den Schleier des Mysteriösen, der Arkan-
disciplin gehüllt auftrat, ausserordentlich günstig, wo es
sich um Gewinnung von Bekennern in den höheren Ständen
handelte. Zwar dass ein christlicher Vorsteher im Bou-
doir der vornehmen Römerin dem aufwartenden Isispriester,
der weissagenden Jüdin, dem sterndeutenden Chaldäer sich
zugesellt habe, ist nicht anzunehmen; aber das verborgene,
stille Leben der Gemeinde, die mysteriöse Lehre von dem
Hinsterben ihres Gottes zur Sühnung der Schuld der
Menschheit, eine Idee, welche der übersatten Generation
die ägyptische Religion so lieb gemacht hatte, dann auch
der Zusammenhang des Christenthums mit der jüdischen
Religion 2) — die Juden standen hoch in der Damen-
9 Tertullian, Apol. c. 37; vrgl. c. 1; ad Scap. c. 5.
, Tert., ad nat. lib. I c. 11: „nos quoque ut Judaicae religionis
propinquos sub umbracula insignissimae religionis certe licitae."
 
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