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Schulz-Rehberg, Rose-Marie
Die Aachener Elfenbeinsitula: ein liturgisches Gefäss im Spannungsfeld von Imperium und Sacerdotium. Eine kunst-historische Analyse — Münster, 2006

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.22767#0076
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beiteten Stadtarchitekturen spielende Wunderszenen in ihrem Illusionis-
mus ebenfalls eine Verwandtschaft zum Kriegerfries der Situla zeigen.

Die relativ sicher datiert Objektgruppe der Tafeln des sog. Magdeburger
Antependiums ist geeignet, die Fortsetzung der stilistischen Entwicklung
im 10. Jh. zu verfolgen (Abb. 50).308 Sie sind mit hinreichenden Argu-
menten (Kaiserkrönung Ottos I. 962, Erhebung Magdeburgs zum Erzbis-
tum 968, Tod Ottos I. 973) als eine Stiftung Ottos des Grossen für den
Magdeburger Dom innerhalb eben dieses Zeitraumes datiert worden. Das
Werk, dessen Rekonstruktion zu einem Antependium hypothetisch blei-
ben muss, ist zwar nicht so sehr seiner architektonischen Strukturen we-
gen mit der Situla in Verbindung zu bringen (die Gesamtrahmung der
Tafeln ist verloren), jedoch sind viele ihrer Tafeln in sich kompositorisch
auffällig stringent aufgebaut. Das Bedürfnis zu einer äusserst klaren Bild-
und Figurenstrukturierung drückt sich nicht nur im Aufbau der einzelnen
Figur oder ganzer Figurengruppen aus, sondern erstreckt sich bis in den
mehrfach mittels durchbrochenes Schachbrettmuster oder Kreuze ge-
gliederten Bildhintergrund, dessen Ornamentierung nun auch nicht ver-
fremdend oder die Komposition sprengend, sondern eher wie ein stabili-
sierendes Raster wirkt. Dieser klare Aufbau sowie die kompakte Ausfüh-
rung der einzelnen Figuren sind eng mit jenen der Situla verwandt. Ihre
knapp formulierten, sparsam bewegten Gestalten haben durch ihre prä-
zise Ausarbeitung, ihre einfachen geschlossenen Umrisslinien und ihre
Proportionen Berührungspunkte vor allem mit den Figuren des Zentral-
frieses der Situla. Diese ist aber durch die Stofflichkeit der Gewänder, die
grössere Räumlichkeit um die und hinter den Figuren und den Illusionis-
mus des Basisfrieses stärker an frühchristliches Formenvokabular ange-
lehnt, weniger radikal auf ein fast asketisches Mindestmass reduziert als
die Magdeburger Tafeln.

Eine gewisse Unsicherheit in der Lokalisierung dieser Tafeln stiftete die
Übereinstimmung von deren Kopftypus' des bärtigen Christus mit Kopf-
typen auf Arbeiten, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
nach Mailand lokalisiert werden können: Die beiden schon erwähnten
Elfenbein-Weihwassergefässe in Mailand^ (Abb. 7) und Londorf^ (Abb.
8) und die Platte im Castello Sforzesco mit der Familie des Herrschers zu
Füssen des thronenden Christus, deren Entstehungsdatum fast unbe-
zweifelbar 983 ist.311 Die Verwurzelung dieser Gruppe von Elfenbeinen in
Mailand wird durch ihre stilistische Verbindung mit den Figuren des Zibo-
riums von S. Ambrogio unterstrichen.312

Kopftypen und Frisuren dieser Gruppe sind tatsächlich teilweise geradezu
spektakulär mit den Magdeburger Tafeln verwandt. Was aber die Arbei-

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