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Schwartze, Moritz Gotthilf
Das alte Aegypten oder Sprache, Geschichte, Religion und Verfassung des alten Aegyptens: nach den altägyptischen Original-Schriften und den Mittheilungen der nichtägyptischen alten Schriftsteller (Band 1) — Leipzig, 1843

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https://doi.org/10.11588/diglit.17156#0074

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Einleitung.

sten Platz einnahm. Wohl möglich, dass hierin eine'Haupteigenthümlichkeit der Heliopolitischen
Schule bestehen mochte. Diese Schule musste nothwendig mit jenen beiden Systemen in Wider-
spruch treten. Jene grossen kosmologischen Wesen, deren Vorrang namentlich Theben so festhielt,
konnten hier nur in untergeordneter Stelle auftreten, konnten nur für Ausflüsse und Zeugungen des
Re-Osiris gelten und als solche werden mit klaren Worten Amun und Hephästos von den alten
Schriftstellern bezeichnet, trotz dem, dass sie bei anderen ihren Vorrang ungeschmälert behaupten.

Wenden wir uns nun zur Astrologie. Das Princip dieser Wissenschaft, so wie deren Haupt-
aufgabe scheint den Aegyptern zu Herodotos Zeit wohl bekannt gewesen zu sein. Denn, wenn er
berichtetx), dass zu den übrigen Erforschungen der Aegypter auch die Einsicht gehört habe, wel-
chem Gotte jeder Monat und Tag unterworfen sei, welche Schicksale jeder an einem gewissen
Tage geborene Mensch haben, wie er enden und wie beschaffen er sein werde, so dürfen wir
einerseits eben so wenig daran zweifeln, dass zu Herodotos Zeit diese Fragen wirklich in Aegypten
gestellt, als auch andererseits, dass sie daselbst durch die Astrologie gelöst worden sind und dass
in den Bereich dieser Fragen der ganze Umfang der spatern, zu ihrer höchsten Entwicklung ge-
diehenen Wissenschaft gelegt werden kann. Welchen Inhalt aber diese Worte Herodot's Avirklich
zu haben scheinen, ob sie in einem weitern, oder engern Sinne zu fassen und ob die Aufgabe in
der Völlen Schulgerechtheit und Ausführlichkeit und endlich in vollkommener Gleichförmigkeit und
Uebereinstimmung mit der spatern, uns sattsam bekannten Griechischen und Römischen Astrologie
gelöst worden ist, diess bedarf einer weitern Erörterung. Wir können vorläufig nur die Haupt-
punkte der Beantwortung andeuten. Aus dem Umstände, dass die Koryphäen Aegyptischer Astro-
logie in eine eben nicht sehr hohe Zeit hinaufgerückt werden, dass die späteren Apotelesmatiker
deren wissenschaftlichem Verfahren Unvollständigkeit und Kürze zuschreiben, dass die älteren
Griechen trotz ihres häufigen Verkehres mit den Aegyptern, trotz dem, dass sie selbst die Elemente
der Astronomie von Aegypten ableiteten, in der x\potelesmatik noch gänzlich von der genethliolo-
gischen abstehen und dass wir endlich die Astrologie in Griechenland 2} und Rom gleich einem
Sprösslinge allmählig zu einem mächtigen Baume emporwachsen sehen, dessen Wurzeln wir
jedoch nicht etwa bloss in Aegypten, sondern auch und zwar in viel weiterer und tieferer Verbrei-
tung in Chaldäa zu suchen haben, scheinen wir mit Bestimmtheit folgern zu dürfen, dass die Astro-
logie, wie sie uns in den Schriften der Griechen und Römer vor Augen liegt, nicht auf die ältere
Aegyptische Astrologie überzutragen, sondern für ein Product der spätem Zeit zu halten sei, einer
Zeit, wo erweislich Aegyptisches, Chaldäisches und Griechisches ohne alle Kritik in eines zusam-
menging und sich mit gegenseitiger Ergänzung und Ausgleichung zu einem Gebäude vereinigte.
Wir werden diesen Punkt da näher zu beleuchten haben, wo wir über das neueste hieroglyphische
System Herrn Seyflarth's sprechen müssen, indem dieser Gelehrte sein zweites System auf die
Schriften der Griechischen und Römischen Astrologen gegründet hat, mit der Behauptung, dass sie

1) Herodot. II, 83. Kai raät a).).a Aiyvnrioiai tan titVQi/ieva, /tee? re y.ai i'j/ttQt; txaari] &to>v vrtv tan y.'.u ti; ixaeroi
»//*££>/; -/evo/ievoq ürtoiai tyxvqtion "X<"S ctUimfeu v.ai 5xoio% Tic; total, cf. Diod. Sic. I, 73, 81. ObigbN. 1. II. in EpUt.
ad. Horn. T, IV. p. 459. Wenn die Aegypter die Chaldiier sainnit Bei und der ganzen Astrologie Babylons ohne Weiteres
als eine Aegyptische Kolonie darstellen (s. ausser 1. 1. I, 28., wo jedoch Dauaos nicht, wie gewöhnlich, iu Verbindung mit
Bei geset/.t wird), so gehört diess in die Kategorie von demjenigen, dass sie auch ohne Verlegenheit die Kuheplüt/.chen
von Homer und Orpheus in Aegypten anzugeben wussteu. Sie erreichten aber ihren Zweck; man glaubte ihnen damals
und, was noch schlimmer ist, im loten Jahrb. nach Chr. Wir werden an einer andern Stelle hierauf zurückkommen.

'£) Vcrgi. Salmas. Vlinian. Exercitalt. in Solin. Polyh. p. 4GS.
 
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