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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung — 1874

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Dezember (No. 142 - 154)
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https://doi.org/10.11588/diglit.33305#0567

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Badische
Allgemeiner Anzeiger für

H o p s c n) e i 1 u n g.
die badische und bayerische Rheinpfalz.

Ao. 142. Dienstag 1. Dezember 1874. VIII. Jahrgang.
Inserate von Auswärts nehmen sür uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Haasenkein L Aogker, Rudolf Masse und H. <L. JauVe L K<-, Süddeutsche Aunouceu-Krpeditiou
Uon H. Stöckhardt in Frankfurt, Stuttgart, Berlin, Lipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg, sowie daß Zäger'schc Lentral-Bureaux für Inserate iu Fronkfurt a./M.

auf' das »Schwe-
tzinger Wochen-
blatt.
Badische HoPfenzeitung, für den Monat Dezem-
ber nehmen noch alle Postanstalten, sowieLaschenboten und
ZeilungSträger entgegen.

* Zur Bankgesetzfrage.
Der Reichstag will die Reichsbank, dos ist das Kurze
und das Lange der dreitägigen Debatte, welche die erste
Hälfte der vorigen Woche ausgefüllt hat. Das Resultat
überrascht uns nicht im Mindesten. Es ist eine alte Erfah-
rung, daß große parlamentarische Versammlungen in Finanz-
und namentlich in Bankfragcn wie die Kinder sich von
Autoritäten leiten lassen. Es ist purer Zufall, ob die ent-
scheidende Autorität im einzelnen Falle den rechten oder den
verkehrten Weg führt. Im vorliegenden Falle hat es sich
gefügt, daß die angesehensten Autoritäten der zahlreichsten
Fraktionen deS hohen Hauses für die große Zentralbank
schwärmen, und eS konnte daher nicht ausblciben, daß das
hohe HauS Ms dem Wege deS „Hammelsprunges" zu eben
diesem Ziele gelangte. Es war diel um so eher vorauszu-
sehen, als die Reichstagsführer die Stimme der Handeltrei-
benden und der Industriellen auf ihrer Seite hatten. Je
weniger eine legislative Versammlung von einer Spezial-
frage versteht, desto leichter ist sie geneigt, die Wünsche der
Interessenten für ein sachverständiges Gutachten zu Halten.'
Die Kaufleutc und die Fabrikanten schwärmen überall für
das herrliche Institut der Preußischen Bank und erklären
dasselbe für einen Grundpfeiler der öffentlichen Wohlfahrt.
Sehr natürlich, da die Preußische Bank mit ihren Filialen
in der That für die Geschäftsleute eine ungemein nützliche
Anstalt ist. Sie verfügt, Dank ihrem Zettelprivilegium,
über ein unerschöpfliches Kapital, und sie stellt, Dank ihrem
eigenen Interesse, dies Kapital allen wechselfähigen Personen
gegen mäßige Vergütung auf das Bereitwilligste zur Ver-
fügung. Diesz Liebenswürdigkeit ist so unwiderstehlich, daß
selbst in Frankfurt a. M., wie Herr Sonnemami uns ver-
sichert, ja sogar in Elsaß-Lothringen alle Herzen von ihr
besiegt worden sind. Da nun die „Reichsbank" nichts an-
deres ist, als die gegenwärtige Preußische Bank mit einem
neuen Titel und mit etwas abgeändertcn Abgobenbedingun-
gen, so ist eS begreiflich, daß die gesammte Geschäftswelt
im gesammlen Vaterlande denjenigen beifällt, welche im
Reichstage fordern, daß die Reichsbank sofort und svlsiu-
nitsr ins Leben gerufen werde. Man denke sich, daß eine
Reichsspciseaustalt bestände, um allen Schullehrern wohlfei-
les MittagSessen nach Bedarf zu liefern, würden nicht die
Erzieher der Jugend behaupien, daß eine derartige Einrich-

tung die Grundlage aller Kultur und aller geistigen Ent- '
Wickelung unseres Volke? sei? Und würde nicht die reich?-
freundliche Mojoritä' des Reichstages diese Bebauptung
gläubig annebmen, wenn die Verhältnisse einer Epeiseanstalt
ebenso mysteriös und komplizirt wären, wie diejenigen des
Geldmärkte? und Kreditwesens? Bei einer Speiseatistalt
würde freilich jeder Laie sofort durchschauen, daß die Wohl-
that. welche dem bevorzugten Stande zu Theil wird, erkauft
werden muß durch Opfer aller übrigen Stände. Bei einer
Zettelbank dagegen erkennen die Meisten den ursächlichen
Zusammenhang zwischen wohlfeilem Kredit und künstlicher
Theuerung nicht und bilden sich ein, die Hülfe, welche dem
Geschäftsmanne gewährt werde, sei eine unentgeltliche, dem
Gemeinwesen nichts kostende. Zu diesem Wahne kommt dann
noch der bestechende Zauber des Wortes „Reich", um
den letzten Zweifel bei denjenigen zu beseitigen, welche
glauben, daß es eine patriotische Pflicht sei, möglichst viele
LebenSverhältniffe unter die unmittelbare Obhut des Reichs
zu bringen. Wie gesagt, c» wäre fast ein Wunder gewesen,
hätte das HauS dem kombinirten Einflüsse der Autoritäten,
der Interessenten und der Phrase Widerstand geleistet. Man
bedenke, wie verführerisch allein die Stimme eines so geist-
vollen und zugleich so sachkundigen Manne» wie des Hrn.
Bamberger auf den großen Haufen wirken mußte, wenn sie
zusammentönle mit der Beredtsamkeit des LaSler'schen
ReichsenthusiaS.nuS.
Herrn Bamberger's Gedankcngang können wir sehr
wohl verflehM Er hat vor allen Dingen oie Durchführung
der deutschen Münzreform vor Augen und er möchte für
dieselbe ein Werkzeug zur Hand haben, welche« die geschäft-
lichen Funktionen dieser großen Maßregel in ähnlicher
Weise verrichtete, wie es die Bank von Frankreich für die
französischen Finanzoperationen zu thun Pflegt, welche Gold
kauft, die Ausmünzuug vermittelt, Silber absetzt und wäh-
rend der Uebergangszeit den Discontomarkt regulirt, um
den Abfluß der eben geschlagenen Goldstücke iu» Ausland
zu verhindern. Aber ebenso sind wir auch überzeugt, daß
alles dasjenige, was Herr Bamberger zu erreichen wünscht,
sehr wohl mit den bereits vorhandenen Organen erreicht
werden kann, wenn nur — und dak ist doch so wie so die
Voraussetzung — die Reichsverwaltung und die Direktion
der Preußischen Bank über die nothwendigen Maßregeln im
Einzelnen einverstanden sind. Ist aber einmal die Münz»
reform auSgeführt, ist es erst einmal in Deutschland Rech-
lens, daß Jedermann seine Schulden in Rcichsgoldstücken
bezahlen muß, so bedarf es keiner Reichsbank mehr, um
diesen Theil ihrer Aufgaben zu erfüllen, und das organische
Gesetz, um dessen Erlaß es gegenwärtig sich handelt, würde
daun weit über das Ziel hinausgegaugeu sein. Nicht ein
Bankgesetz ist dazu erforderlich, sondern nur eine verständige

Praxis, ein Zusammenwirken der ReichSmünzverwaltung mit
den geeigneten Bankmstituien, denen diejenigen Erleichterun-
gen einzuräumen, welche erforderlich sind, um die AuSmüu-
zung für Privatrechnung gegen der Konkurrenz der auslän-
dischen GratiSprügungen sicher zu stellen.
Etwas ganz andere« hat Herr Lasker im Auge. Er
will das bereits thatsächliche Uebergewicht der Preußischen
Bank durch ein Reichsgesetz zu einer dauernden Jnstiiuiion
Deutschlands umgestalten. Er will eine Gcldmacht schaffen
oder vielmehr ausdrücklich sanktioniren, welche über daS
ganze flüssige Betriebskapital der Nation verfügt, welche wte
eine Vorsehung über dem G.eldvcrkehr schwebt und Regen
und Sonnenschein anordnet, je nachdem eS der Weisheit
ihre? Vorstandes gutdünkt. Die Reichsbank soll nicht ein
Geschäftsetablissement sein, welche» nach gewöhnlichen wirt-
schaftlichen Regeln seine Waare, den Kredit absetzt, sondern
ein Tribunal, welches zu Gericht fitzt über die Frage, ob
der Diskonto ermäßigt oder gesteigert werden soll. Hätte
er es nicht mit dürren Worten gesagt, wir würden uns
wohl hüten, ihm solche An- und Absichten unterzuschieben.
Aber mit aller Deutlichkeit, deren die deutsche Spracht fähig
ist, hat er erklärt, daß er eine Vorsehung für den Verkehr
in Gestalt einer Reichsbank fordere. Der Gesetzentwurf de»
BundeSrathS ist ihm derhalb besonders annehmbar, weil
derselbe die Preußische Bank ebenso behandelt wie jede an-
dere, und ihr, die „höhere Interessen" vertreten soll, die
nämlichen Schranken auferlcgt, wie ihren kleineren Schwe-
stern, welche lediglich Geld verdienen wollen. Für eine
solche große Staats- oder Reichsbank, deren Aufgabe e« ist,
„den Verkehr zu regeln", passen seine» Erachten» die ge-
wöhnlichen Regeln nicht. Wenn man ihr eine Grenze der
Noienaurgabe vorschreibt, wogegen auch Herr LaSker nichts
einzuwenden hat, so geschieht die» doch vernünftiger Weise
nur für gewöhnliche Zeiten. In Zeiten der Noth, wenn
Geldmangel eintritt, wird die Grenze aufgehoben, zwar nicht
vom Chef der Bank, sondern von der Regierung, und der
Reichstag ertheilt hintendrein seine Genehmigung. „Die«",
ruft Herr Latker au«, „versteht man heutzutage unter Kon-
iingentirung, und nie ist die Peelakte in England ander»
verstanden worden." Mit andern Worten also: Herr Las-
ker will für Deutschland eine Zentralzettelbank, welche in
den gulen Geschäftszeiten unter eigener Verantwortlichkeit
handelt, in kritischen Zeiten dagegen durch ein RegierungS-
dekrct aller eigenen Verantwortlichkeit überhobcn wird. In
dem Augenblicke, wo das Gold abgeflossen ist, verlangt er
eine Maßregel, welche unbeschränkte PapierauSgabe ermög-
licht und die Rückkehr der Golde» verhindert oder erschwert.
Er scheint auch nicht einmal zu ahnen, daß gerade diese»
Manöver, welches in England allerdings jedesmal im Au-
genblick der Krisis ausgeführt wird, den schwachen Punkt

Bestellungen

Iruilletml.

Pie Maßen.
(Fortsetzung.)
Um zehn Uhr begann die Unruhe; eine Fieberröthe stieg
auf Stirn und Wangen. Der Puls arbeitete doppelt. Um
Mitternacht trank Marie zum zweiten Male aus der Tasse,
welche ihr Susanne reichte. Darauf fiel sie zurück auf daS
Kissen. Die Augen Susannens gingen von Marie zu deren
Mutter.
Allmälig athmete die Kranke regelmäßiger; ihr Schlaf,
zuerst durch ein leichtes Zittern und Seufzen unterbrochen,
wurde ruhiger.
Eins der niedlichen Händchen deS Kindes hing aus dem
Beite heraus. Eoe Susanne eS unter die Decke legte, ver-
gewisserte sie sich, daß daS Fieber fast nicht mehr vorhanden
war. Darauf wandte sie sich zur Mutter, deren Blick zu-
gleich die Lage Mariens und das Stillschweigen Susannens
fragte. Sie machte ein Zeichen; ohne Zweifel verstand es
Frau von Rldisre, denn ihr abgemagertes Gesicht drückte
eine hünmtssche Freude aus. Sie warf sich vor dem Bett

auf die Kniee, wagte aber nicht, dasselbe zu berühren, aus
Furcht, Marie zu erwecken.
Sie dankte Gott mit jenem bezeichnenden Ausdruck, wo
das Glück, swclcheS man empfindet, sich vermehrt durch all'
das Unglück, das man überstanden. Man chemerkte ihr
Gebet nur durch die Bewegung ihrer Lippen; aber Gott
hörte eS.
Der sanfte Schlaf Mariens verlängerte sich bis gegen
fünf Uhr Morgens. Als sie erwachte, war ihr erstes
Wort: „Susanne!" und die Mutter war nicht eifersüchtig
darauf.
Einige Stunden später bestätigte der Arzt vor den
beiden Frauen und vor Herrn von Ribisre, welcher beim
Erwachen seiner Tochier zugegen war, und vor den Dienst-
boten, welche an der Thür wartete», die Worte: „Marie
ist gerettet."
Die Genesung ging schnell. Da indeß das Kind nicht
kräftig genug war, vcrordnete der Arzt Seebäser.
Eines Tages, Anfangs Juli, sprach Frau von Ribiere
mit ihrem Manu und zum hundertsten Male erinnerte sie
an alle Details dieser schrecklichen Krise, welche sie Über-
stunden.
„Die brave Susanne!" sagte sie. „Man wird mir

niemals auSreden, daß sie e» war, welche unser Kind ge-
rettet."
„Ja, aber wie ihr unfern Dank bezeigen? Einen Augen-
blick hatte es mir geschienen, in ihr einen Funken von Ver-
nunft leuchten zu sehen, während Marie in Gefahr war; aber
seit unsere Kleine ihrer nicht mehr bedarf, ist Susanne in
ihren Irrsinn zurückgefallen."
„Leider, ja."
„Geld, das wäre dieser edlen Herzen« nicht würdig,
und dann wozu? Ich weiß nicht einmal, wa» sie mit den
Thalern gemacht hat, die sie durch den Verkauf ihrer Blumen
gewonnen. Ihr Vater lebt sehr gut von seiner Krämerei,
ohne die Capitalien, welche er, wie man sagt, bei dem Notar
von Villefort angelegt hat."
„Ich denke auch nicht daran, Susannen Geld zu geben,
aber ich habe eine Idee; der Arzt räth uns, Marie in'S
Seebad zu schicken. Mein Absicht wäre, Larqueiranne zu
wählen, zwei Meilen von Toulon."
„Toulon?!" rief Herr von Ribitre, welcher verstand.
„Ja. und Du ahnst schon, daß ich Susanne mit mir
nehmen will. Marie kann sich nicht mehr von ihr trennen
und dann wird es leicht sein, Jakob zu sehen. Für ihn
wird eS ein mäcktiger Trost sein, für sie — wer weiß?"
 
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