Matthias Grünewald.
Blühte im Anfang des 16. Jahrhunderts.
Über das Leben des Malers Matthias Grünewald fehlen uns alle Nachrichten. Die Zeitgenossen
nannten ihn Matthias von Aschenburg oder Oschenburg, was soviel besagen will, als Aschaffenburg. Der
einzige Schriftsteller, der von dem Maler Kunde genommen hat, Joachim Sandrart, weiß zu erzählen, daß
er sich in Mainz aufgehalten, ein eingezogenes, melancholisches Leben geführt habe und übel verheiratet
gewesen sei. Je weniger derselbe von Grünewalds äußeren Schicksalen wußte, umso klarer war er sich
über seine künstlerische Persönlichkeit. Er nennt ihn einen »hochgestiegenen und verwunderlichen Meister«
und bezeichnet ihn gelegentlich als den »deutschen Correggio«. Nach A. Weltmann, dem wir die ge-
nauere Kenntnis des Malers verdanken, kann man diese Bezeichnung, richtig verstanden, wohl gelten lassen.
Nach ihm nimmt Grünewald eine ebenso isolierte Stellung in der deutschen Kunst ein, wie Correggio in
der italienischen. »Er hat ganz bestimmte künstlerische Ziele, die eigentlich außerhalb der Bestrebungen
seiner Zeit liegen, gewissermaßen Vorahnungen einer späteren Epoche sind. Und diese Ziele sind eben
bei dem Italiener und bei dem Deutschen die nämlichen: das Ausgehen auf Affekt, auf erregtes Empfin-
dungsleben, damit im Zusammenhang eine auf die Spitze getriebene Bewegtheit, oft hinreißend wahr, oft
auch schon in das Gezierte schweifend; Schilderung des Visionären, des himmlischen Jubels, der Ekstase,
auch der körperlichen Pein, des Schmerzes durch die Mittel des äußersten Realismus, der sich mit kühnem
Schwung verbindet. Endlich ein seltenes koloristisches Gefühl, das in Licht- und Helldunkeleffekten gipfelt,
welche übrigens auch nur der malerische Ausdruck des erregten Empfindungslebens sind.«
Von Grünewalds durch Sandrart beschriebenen Gemälden sind die meisten untergegangen. Erhalten
haben sich in Frankfurt a. M. zwei grau in grau gemalte Heiligenfiguren, der hl. Lorenz mit dem Roste
und der hl. Cyriakus mit dem besessenen Weibe, »bizarr und bauschig in der Gewandung, kühn bewegt,
mit Verkürzungen und erregtem Ausdruck.«
Als das Hauptwerk des Künstlers haben wir den ehemaligen Hochaltar der Antoniterpräceptorei
zu Isenheim im Oberelsaß, heute im Museum zu Kolmar, anzusehen. Eine Stiftung des Präzeptors Guido
Guersi, ist diese Schöpfung Grünewalds in den Jahren von 1493—1516 entstanden. Der Altar ist ein
Schrein, welcher drei vortrefflich aus Holz geschnitzte Heiligenfiguren umschließt. Auf den Schmalseiten
desselben sieht man die auf spätgotischen Sockeln stehenden Figuren der Pleiligen Antonius und Sebastian in
eigentümlicher, von hinten einfallender Beleuchtung. Auf den Innenseiten des inneren Flügelpaares brachte
Grünewald Szenen aus dem Leben des hl. Antonius zur Darstellung. Werden dieselben geschlossen, so
tritt dem Beschauer eine sitzende Madonna mit dem Kinde inmitten einer herrlichen Landschaft entgegen,
welche von Scharen musizierender und singender Engel belebt wird. Die Innenseiten des äußeren
Flügelpaares, auf welchen Mariä Verkündigung und Christi Auferstehung geschildert sind, stehen zu dem
Mittelbilde in engster Beziehung. Wenn man endlich auch diese äußeren Flügel schließt, so erblickt man
die Kreuzigung Christi, zu welcher die Beweinung des Heilands auf dem Sockel des Altars ergänzend
hinzukommt.
Von den vier Gemälden der älteren Pinakothek zu München, welche unter dem Namen Grüne-
walds bekannt sind, hat sich nach genauerer Prüfung nur eines als sein Eigentum herausgestellt. Es stellt
die Bekehrung des hl. Mauritius dar und bildete einst das Mittelbild eines von dem Kardinal Albrecht
von Brandenburg für die Kollegiatskirche St. Moritz und St. Maria Magdalena zu Halle a. d. S. bestellten
Altarwerkes, das seit 1539 in Aschaffenburg auf bewahrt und im Jahre 1836 nach München übergeführt
wurde. Die drei andern ursprünglich als Flügel mit dem Mittelbild verbundenen Tafeln rühren dagegen
nicht von Grünewald, sondern von einem dem Lukas Cranach näherstehenden Künstler her.
Außer den erwähnten Bildern Grünewalds werden ihm noch eine Anzahl weitere zugeschrieben,
keines jedoch mit solcher Sicherheit und Allgemeinheit, daß ihre Anführung an dieser Stelle gerecht-
fertigt wäre.
Grünewald besaß nur einen Schüler, Hans Grimmer in Mainz, der als Meister Philipp Uffenbachs
mittelbar auf Adam Elsheimer eingewirkt hat. Durch Elsheimer wurde aber die Kunst des Helldunkels
auf Pieter Lastman und von diesem wieder auf Rembrandt übertragen. So eröffnet sich eine kunstge-
schichtlich wichtige Perspektive, in deren Lichte die Gestalt des nur wenig bekannten Grünewald eine er-
höhte Bedeutung gewinnt.
Anonyme Zeichnung
Blühte im Anfang des 16. Jahrhunderts.
Über das Leben des Malers Matthias Grünewald fehlen uns alle Nachrichten. Die Zeitgenossen
nannten ihn Matthias von Aschenburg oder Oschenburg, was soviel besagen will, als Aschaffenburg. Der
einzige Schriftsteller, der von dem Maler Kunde genommen hat, Joachim Sandrart, weiß zu erzählen, daß
er sich in Mainz aufgehalten, ein eingezogenes, melancholisches Leben geführt habe und übel verheiratet
gewesen sei. Je weniger derselbe von Grünewalds äußeren Schicksalen wußte, umso klarer war er sich
über seine künstlerische Persönlichkeit. Er nennt ihn einen »hochgestiegenen und verwunderlichen Meister«
und bezeichnet ihn gelegentlich als den »deutschen Correggio«. Nach A. Weltmann, dem wir die ge-
nauere Kenntnis des Malers verdanken, kann man diese Bezeichnung, richtig verstanden, wohl gelten lassen.
Nach ihm nimmt Grünewald eine ebenso isolierte Stellung in der deutschen Kunst ein, wie Correggio in
der italienischen. »Er hat ganz bestimmte künstlerische Ziele, die eigentlich außerhalb der Bestrebungen
seiner Zeit liegen, gewissermaßen Vorahnungen einer späteren Epoche sind. Und diese Ziele sind eben
bei dem Italiener und bei dem Deutschen die nämlichen: das Ausgehen auf Affekt, auf erregtes Empfin-
dungsleben, damit im Zusammenhang eine auf die Spitze getriebene Bewegtheit, oft hinreißend wahr, oft
auch schon in das Gezierte schweifend; Schilderung des Visionären, des himmlischen Jubels, der Ekstase,
auch der körperlichen Pein, des Schmerzes durch die Mittel des äußersten Realismus, der sich mit kühnem
Schwung verbindet. Endlich ein seltenes koloristisches Gefühl, das in Licht- und Helldunkeleffekten gipfelt,
welche übrigens auch nur der malerische Ausdruck des erregten Empfindungslebens sind.«
Von Grünewalds durch Sandrart beschriebenen Gemälden sind die meisten untergegangen. Erhalten
haben sich in Frankfurt a. M. zwei grau in grau gemalte Heiligenfiguren, der hl. Lorenz mit dem Roste
und der hl. Cyriakus mit dem besessenen Weibe, »bizarr und bauschig in der Gewandung, kühn bewegt,
mit Verkürzungen und erregtem Ausdruck.«
Als das Hauptwerk des Künstlers haben wir den ehemaligen Hochaltar der Antoniterpräceptorei
zu Isenheim im Oberelsaß, heute im Museum zu Kolmar, anzusehen. Eine Stiftung des Präzeptors Guido
Guersi, ist diese Schöpfung Grünewalds in den Jahren von 1493—1516 entstanden. Der Altar ist ein
Schrein, welcher drei vortrefflich aus Holz geschnitzte Heiligenfiguren umschließt. Auf den Schmalseiten
desselben sieht man die auf spätgotischen Sockeln stehenden Figuren der Pleiligen Antonius und Sebastian in
eigentümlicher, von hinten einfallender Beleuchtung. Auf den Innenseiten des inneren Flügelpaares brachte
Grünewald Szenen aus dem Leben des hl. Antonius zur Darstellung. Werden dieselben geschlossen, so
tritt dem Beschauer eine sitzende Madonna mit dem Kinde inmitten einer herrlichen Landschaft entgegen,
welche von Scharen musizierender und singender Engel belebt wird. Die Innenseiten des äußeren
Flügelpaares, auf welchen Mariä Verkündigung und Christi Auferstehung geschildert sind, stehen zu dem
Mittelbilde in engster Beziehung. Wenn man endlich auch diese äußeren Flügel schließt, so erblickt man
die Kreuzigung Christi, zu welcher die Beweinung des Heilands auf dem Sockel des Altars ergänzend
hinzukommt.
Von den vier Gemälden der älteren Pinakothek zu München, welche unter dem Namen Grüne-
walds bekannt sind, hat sich nach genauerer Prüfung nur eines als sein Eigentum herausgestellt. Es stellt
die Bekehrung des hl. Mauritius dar und bildete einst das Mittelbild eines von dem Kardinal Albrecht
von Brandenburg für die Kollegiatskirche St. Moritz und St. Maria Magdalena zu Halle a. d. S. bestellten
Altarwerkes, das seit 1539 in Aschaffenburg auf bewahrt und im Jahre 1836 nach München übergeführt
wurde. Die drei andern ursprünglich als Flügel mit dem Mittelbild verbundenen Tafeln rühren dagegen
nicht von Grünewald, sondern von einem dem Lukas Cranach näherstehenden Künstler her.
Außer den erwähnten Bildern Grünewalds werden ihm noch eine Anzahl weitere zugeschrieben,
keines jedoch mit solcher Sicherheit und Allgemeinheit, daß ihre Anführung an dieser Stelle gerecht-
fertigt wäre.
Grünewald besaß nur einen Schüler, Hans Grimmer in Mainz, der als Meister Philipp Uffenbachs
mittelbar auf Adam Elsheimer eingewirkt hat. Durch Elsheimer wurde aber die Kunst des Helldunkels
auf Pieter Lastman und von diesem wieder auf Rembrandt übertragen. So eröffnet sich eine kunstge-
schichtlich wichtige Perspektive, in deren Lichte die Gestalt des nur wenig bekannten Grünewald eine er-
höhte Bedeutung gewinnt.
Anonyme Zeichnung