DRITTES BUCH - 1586-1625
schon dem Barock zu entsprechen, das aller Straffheit der Formgebung entgegen-
wirkte, indem es eine weiche unbestimmt hewegte malerische Gestaltung begün-
stigte, so empfiehlt es sich nicht dafür schillernde Ausdrücke wie Deutsche
Renaissance oder Deutsches Barock zu verwenden, die bei Übergangszeiten voll
berechtigt sind. Das Menschenalter von 1590 — 1620 bekundet vielmehr einen
Aufstieg zu selbständiger Kunstgestaltung, der ähnlich wie die gleichzeitige Kunst
in Frankreich, in Holland und in England ein durchaus nationales Gepräge trägt.
Wie alle diese Länder der protestantischen Richtung angehören und in bewußtem
Gegensatz zu dem bereits hochentwickelten Jesuitenstilstehen, so geben sie auch
Zeugnis von dem Erstarken des Protestantismus in Deutschland zu jener Zeit,
da zuerst eine Einigung zwischen den Lutherischen und den Kalvinischen sich
anbahnte, die freilich nicht von Dauer war, dafür aber die letztem emporhob
und zeitweilig zu einem wesentlichen Machtfaktor gestaltete, bis die Schlacht am
Weißen Berge dieser verheißungsvollen Entwicklung ein jähes Ende bereitete.
Man kann diese Richtung im LInterschied von der spätgotischen Entwicklung
des 15 Jahrhunderts als die neugotische bezeichnen, da ein Zurückgreifen auf
das Höhenstreben der Gotik im Gegensatz zu der Horizontalität der Renais-
sance in ihr vorherrscht, wenngleich das zugrundeliegende Empfinden sich durch-
aus als eine Fortsetzung und Weiterbildung der Deutschen Renaissance darstellt,
nur abgewandelt im Sinn der mittelalterlichen Entwicklung, welche durch die
Aufnahme der fremden Renaissancebestandteile unterbrochen worden war.
Um das Neue, das in dieser Bewegung lag, klar zu erfassen, muß man sich
die italienischen Einflüsse vergegenwärtigen welche in den unmittelbar vorher-
gehenden Jahrzehnten teils unmittelbar teils durch Vermittlung der Niederländer
und Franzosen eingewirkt hatten. Erst um die Mitte des 16 Jahrhunderts hatte
sich die Renaissance in Deutschland in den Ornamentstichen von Virgil Solis und
dem Meister von 1551 in einer gewissen Reinheit durchsetzen können. Auf
französische Einflüsse der Schule von Fontainebleau gingen dann in den achziger
Jahren die Zinnarbeiten des Lotringers Francois Briot wie die Silbertreibarbeiten
des Westfalen Anton Eisenhoit zurück. Zu Ende des Jahrhunderts beherrschten
niederländische Künstler wie Peter Kandid in München und Adrian de Vries
sowie Paul von Vianen in Prag mit ihren technisch vorzüglichen innerlich aber
leeren Schöpfungen den deutschen Kunstmarkt,- ebenso versah Hans Collaert
ihn mit Stichvorlagen für Emailschmuck. In Dresden hatte Paul Buchner um
1590 seine großen Bauten für Christian I im Stil einer ernsten aber kühlen
Klassizität errichtet, wie Nosseni die Fürstengruft in einer ganz italienisch an-
mutenden Heiterkeit.
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schon dem Barock zu entsprechen, das aller Straffheit der Formgebung entgegen-
wirkte, indem es eine weiche unbestimmt hewegte malerische Gestaltung begün-
stigte, so empfiehlt es sich nicht dafür schillernde Ausdrücke wie Deutsche
Renaissance oder Deutsches Barock zu verwenden, die bei Übergangszeiten voll
berechtigt sind. Das Menschenalter von 1590 — 1620 bekundet vielmehr einen
Aufstieg zu selbständiger Kunstgestaltung, der ähnlich wie die gleichzeitige Kunst
in Frankreich, in Holland und in England ein durchaus nationales Gepräge trägt.
Wie alle diese Länder der protestantischen Richtung angehören und in bewußtem
Gegensatz zu dem bereits hochentwickelten Jesuitenstilstehen, so geben sie auch
Zeugnis von dem Erstarken des Protestantismus in Deutschland zu jener Zeit,
da zuerst eine Einigung zwischen den Lutherischen und den Kalvinischen sich
anbahnte, die freilich nicht von Dauer war, dafür aber die letztem emporhob
und zeitweilig zu einem wesentlichen Machtfaktor gestaltete, bis die Schlacht am
Weißen Berge dieser verheißungsvollen Entwicklung ein jähes Ende bereitete.
Man kann diese Richtung im LInterschied von der spätgotischen Entwicklung
des 15 Jahrhunderts als die neugotische bezeichnen, da ein Zurückgreifen auf
das Höhenstreben der Gotik im Gegensatz zu der Horizontalität der Renais-
sance in ihr vorherrscht, wenngleich das zugrundeliegende Empfinden sich durch-
aus als eine Fortsetzung und Weiterbildung der Deutschen Renaissance darstellt,
nur abgewandelt im Sinn der mittelalterlichen Entwicklung, welche durch die
Aufnahme der fremden Renaissancebestandteile unterbrochen worden war.
Um das Neue, das in dieser Bewegung lag, klar zu erfassen, muß man sich
die italienischen Einflüsse vergegenwärtigen welche in den unmittelbar vorher-
gehenden Jahrzehnten teils unmittelbar teils durch Vermittlung der Niederländer
und Franzosen eingewirkt hatten. Erst um die Mitte des 16 Jahrhunderts hatte
sich die Renaissance in Deutschland in den Ornamentstichen von Virgil Solis und
dem Meister von 1551 in einer gewissen Reinheit durchsetzen können. Auf
französische Einflüsse der Schule von Fontainebleau gingen dann in den achziger
Jahren die Zinnarbeiten des Lotringers Francois Briot wie die Silbertreibarbeiten
des Westfalen Anton Eisenhoit zurück. Zu Ende des Jahrhunderts beherrschten
niederländische Künstler wie Peter Kandid in München und Adrian de Vries
sowie Paul von Vianen in Prag mit ihren technisch vorzüglichen innerlich aber
leeren Schöpfungen den deutschen Kunstmarkt,- ebenso versah Hans Collaert
ihn mit Stichvorlagen für Emailschmuck. In Dresden hatte Paul Buchner um
1590 seine großen Bauten für Christian I im Stil einer ernsten aber kühlen
Klassizität errichtet, wie Nosseni die Fürstengruft in einer ganz italienisch an-
mutenden Heiterkeit.
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