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Semper, Gottfried
Das königliche Hoftheater zu Dresden — Braunschweig, 1849

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https://doi.org/10.11588/diglit.24840#0013
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II.

Allgemeines

über die

Einrichtung des Dresdner Theaters.

D er in dem Vorberichte erwähnte ursprüngliche Entwurf eines Schauspielhauses für Dresden wich in mehr-
facher Beziehung von demjenigen ab, welcher wirklich zur Ausführung gekommen ist. Schon der Umstand, dass
das alte Theater, auf dessen Stelle der Baumeister das neue aufzuführen beabsichtigte, bis zu der Vollendung des
letzteren dem Gebrauche geöffnet bleiben sollte, verursachte ein Abweichen von der ursprünglichen Annahme in
Beziehung auf die Lage des Gebäudes und dessen Näherrücken an den Zwinger, wodurch der architectonischen
Wirkung .des Gebäudes von Seiten der Brücke und des Schlosses Abbruch geschehen, und die Gesammtanlage
wesentlich gestört wurde.

Aber abgesehen von diesen äusseren Anlässen zu Abweichungen von der ursprünglichen Idee, mussten die
in dem ersten Entwürfe niedergelegten Ueberzeugungcn des Arclxitecten über die zweckmässigste Anlage eines
Theaters vielfache Modifikationen erleiden, in Folge derjenigen einander oft widersprechenden Ansprüche, die mehr
nach theatralischem Herkommen und dem Balletstyl modernen Bühnengeschmackes, als nach richtigem Gefühle
für das Zeitgemässe und das wahre Interesse der Kunst an ein neues Schauspielhaus gemacht werden.

Die wichtigste Abänderung, die in Folge dieser unvermeidlichen Rücksichten eintrat, betraf die Bühne und
das damit verbundene Proscenium.

Der fälschlich sogenannten Bühne, d. h. dem hinter dem Proscenium befindlichen Postscenium war nach
dem ersten Projecte eine weit grössere Breite bei verhältnissmässig geringerer Tiefe zugedacht, und die Oeffnung
des Proscenium war kleiner, als bei den neueren Theatern gewöhnlich ist. Dagegen befand sich vor der Bülmen-
öffnung ein sehr breites Podium, welches rechts und links von Prosceniumsmauern eingeschlossen war, die im
Grundriss zwei Kreisabschnitte bildeten. Diese Mauern waren reich mit dreifach übereinander gestellten Säulen-
ordnungen und Statüen verziert. Auch war an jeder Seite eine Thür angebracht, um von dem Innern auf die
Vorbühne gelangen zu können, selbst wenn der Vorhang der Biilmenöffnung herabgelassen war. Auf dieser zwölf
Schuh tiefen Vorbühne sollten nun, der Idee des Architecten nach, die Haupthandlungen des jStückes vor sich
gehen, wogegen der hinter der Oeffnung befindliche Theil der Bühne den Prospecten und Verwandlungen, wodurch
der Ort der Handlung im Stücke näher bezeichnet werden soll, und der Darstellung von inneren Räumlichkeiten ge-
widmet war. Damit aber bei Ausgang des Actes die Schauspieler nicht genöthigt waren, durch die ganze Tiefe der
Vorbühne bis zu der Prosceniumsöffnung zurückzutreten, um den Vorhang vor sich fallen zu lassen, sollte am
Rande des Podium, hinter der Rampe eine spanische Wand aus dem Boden emporsteigen, nach dem Vorbilde der
antiken Theater.

Dabei durften natürlich keine sogenannten Prosceniumslogen Statt haben, da sie noch mehr, als in den
gewöhnlichen Theatern leider geschieht, gestört hätten, und man von ihnen aus auch nur die Schauspieler von
hinten gesehen haben würde.

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