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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.1299#0052
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Einleitung.

tungen und Ei-weiterungen der Begriffe, die sich an sie knüpfen,
der Grundform nach wieder hervortreten, wie es unmöglich ist,
für einen neuen Begriff zugleich ein ganz neues Wort zu erfinden,
ohne den ersten Zweck zu verfehlen, nämlich verstanden zu wer-
den, eben so wenig darf man diese ältesten Typen und Wurzeln
der Kunstsymbolik für andere verwerfen und unberücksichtigt
lassen. Das beschauende Publikum und die Mehrzahl der aus-
führenden Architecten folgt diesen Traditionen mehr unbewusster-
weise, aber denselben Vortheil, den die vergleichende Sprach-
forschung und das Studium der Urverwandtschaften der Sprachen
dem heutigen Redekünstler gewähren, hat derjenige Baukünstler
in seiner Kunst voraus, der die ältesten Symbole seiner Sprache
in ihrer ursprünglichsten Bedeutung erkennt und sich von der
Weise Rechenschaft ablegt, wie sie, mit der Kunst selbst, sich
geschichtlich in Form und Bedeutung umwandelten. Ich glaube
auch den Zeitpunkt nicht fem; wo die Forschung der Sprach-
formen und diejenige, welche sich mit den Kunstformen beschäf-
tigt, in Wechselwirkung zu einander treten werden, aus welcher
Verbindung die merkwürdigsten gegenseitigen Aufschlüsse auf
beiden Gebieten hervorgehen müssen.

Die oben angedeutete und in dem Folgenden durchzuführende
konstructiv-technische Auffassung des Ursprungs der Grundformen
der Baukunst hat nichts gemein mit der grob-materialistischen
Anschauung, wonach das eigene Wesen der Baukunst nichts sein
soll als durchgebildete Construction, gleichsam illustrirte und illu-
minirte Statik und Mechanik, reine Stoffkundgebung. Dieses
Prinzip hat sich in der Römerzeit, wie es scheint, zuerst erhoben,
konsequenter im sogenannt gothischen Baustile entfaltet und
erst in der neuesten Zeit offen bekannt. Es beruht, wie seines
Ortes dargethan werden wird, geradezu auf einem Vergessen jener
uralt-hergebrachten Typen, welche dem Zusammenwirken der
technischen Künste in einer primitiven architectonischen Anlage
ihren Ursprung verdanken.

§.2.

Jedes technische Product ein Resultat des Zweckes und der Materie.

Die Aufgabe, die ich mir stellte, erheischte nun die technischen
Künste in Kategorieen zu sondern und jede dieser Kategorieen


 
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