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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.1299#0122
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Textile Kunst. Die Naht. 77

darlegt, desto mehr nähert sich die Ausführung ihrem Ideale.
Diese Auffassung hindert indessen keineswegs die Concentration
des Schmuckes an der Decke, der mitunter mit sehr einfacher
Behandlung der Wände und Fussböden sich vereinigen lässt, so
dass der Glan"z der unerreichbaren Decke gleichsam für den strengen
Ernst und die Nüchternheit der nächsten Umgebung entschädigt
und dieser sogar durch seinen Reflex eine Art von Bedeutung und
festlicher Weihe mittheilt. Ich habe während meiner baulichen
Praxis in diesem Sinne Manches, und nicht ganz ohne Glück,
gewagt.

Wenn ich hier der Deckendekoration im Allgemeinen und der
Anwendung historischer Bilder auf den Flächen der oberen Raum-
abschliisse das Wort spreche und dabei den Einwand des unbe-
quemen Sehens, der gegen sie gemacht wird, bekämpfe, so folgere
ich nun zugleich aus der Bedeutung, die ich der Decke als deko-
ratives Hauptmoment beilege, die Notwendigkeit des Innehal-
tens eines bestimmten, durch die physische Beschaf-
fenheit des Menschen und besonders durch das Organ
des Sehens schon materiell vorgeschriebenen Maasses
der Deckenhöhe, besonders in ihrem Verhalten zu dem Stand-
punkte, welcher den Sehwinkel bestimmt, unter dem wenigstens
ein Theil der Decke nicht zu unbequem übersehbar wird. Ich
verwerfe somit in umgekehrter Anwendung der Gründe, die man
gegen Deckengemälde geltend macht, die übermässig hohen und
schlanken räumlichen Verhältnisse, besonders bei nicht genügender
Entwicklung des Raumes nach seiner Länge. Sie sind aus einer
falschen und einseitigen architektonischen oder vielmehr construk-
tiven Theorie hervorgegangen und werden nun mit noch falscherer
Sentimentalität für das Werk und den erhabensten, ja alleinig
statthaften Ausdruck acht christlich-germanischer Glaubensinnigkeit
und Grösse ausgegeben.

§• 18-
Die Naht.

Struktive Bedeutung der Naht.

Die Unscheinbarkeit der Ueberschrift dieses Artikels darf
über die Bedeutung seines Gegenstandes in kunst-stilistischer
 
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