112 Viertes Hauptstück.
§. 30.
Der Kautschuk das Factotum der Industrie.'.
Ein wichtiger Naturstoff hat erst in neuester Zeit auf dem
ganzen weiten Gebiete der Industrie eine Art von Umwälzung
hervorgebracht, und zwar vermöge seiner merkwürdigen Gefügig-
keit, mit welcher er sich zu allen Zwecken hergibt und leiht. Ich
meine das Gummi elasticum oder den Kautschuk, wie er auf In-
disch benannt wird, dessen stilistisches Gebiet das weiteste ist,
was gedacht werden kann, da seine fast unbegrenzte Wirkungs-
sphäre die Imitation ist. Dieser Stoff ist gleichsam der Affe unter
den Nutzmaterien. Er wird aus dem milchigen Pflanzensafte tro-
pischer Gewächse, in Ostindien von der Ficus elastica, in Java
von anderen Arten des Feigehbaumes, in Brasilien und Central-
Amerika von der Siphonia .elastica, im indischen Archipelagus von
der Urceolaria elastica, einer riesigen Schlingpflanze, gewonnen.
Seine merkwürdigen Eigenschaften wurden in Europa zuerst durch
Condamine bekannt, der 1735 eine Denkschrift, damals erfolglos,
darüber veröffentlichte. Erst seit etwa 15 Jahren fing dieser Stoff
an, die Aufmerksamkeit der Industriellen auf sich zu ziehen, nach-
dem er vorher nur mehr zu Spielereien und als Keinigungsmittel
des Papiers benutzt worden war. Seine chemischen Eigenschaften
wurden nun erst untersucht, die nicht minder wichtig sind, als
seine mechanischen ; die bedeutendste darunter sind dessen Unauf-
löslichkeit und chemische Beständigkeit. Keine Säure afficirt ihn,
mit Ausnahme der concentrirten Salpetersäure; auflöslich ist er
allein in Naphtha und in einigen ätherischen Oelen, wie Lavendel-
öl, Sassafrasöl u. dergl. In den nicht flüchtigen Oelen, z. B. in
dem Leinöl, ist er zwar gleichfalls auflöslich, aber er verliert in
dieser Verbindung die Eigenschaft des Auftrocknens. Dazu kom-
men die mechanischen Eigenschaften dieses Stoffes, nämlich dessen
Elasticität, Tenacität, Dehnbarkeit, Undurchdringlichkeit für Was-
ser und für Gasarten, Leichtigkeit, Geschmeidigkeit, Erhärtnngs-
fähigkeit, Glätte u. sf w. Auch lässt er sich nicht über den na-
türlichen Grad der Dichtigkeit hinaus verdichten; obschon er
dem starken Drucke nachgibt, springt er immer wieder in seine
normale Dichtigkeit zurück, wogegen er sich mit mehr Leichtig-
keit ausdehnen lässt und in diesem Zustande geneigter ist zu ver-
harren. Endlich lässt er sich legiren und färben.
§. 30.
Der Kautschuk das Factotum der Industrie.'.
Ein wichtiger Naturstoff hat erst in neuester Zeit auf dem
ganzen weiten Gebiete der Industrie eine Art von Umwälzung
hervorgebracht, und zwar vermöge seiner merkwürdigen Gefügig-
keit, mit welcher er sich zu allen Zwecken hergibt und leiht. Ich
meine das Gummi elasticum oder den Kautschuk, wie er auf In-
disch benannt wird, dessen stilistisches Gebiet das weiteste ist,
was gedacht werden kann, da seine fast unbegrenzte Wirkungs-
sphäre die Imitation ist. Dieser Stoff ist gleichsam der Affe unter
den Nutzmaterien. Er wird aus dem milchigen Pflanzensafte tro-
pischer Gewächse, in Ostindien von der Ficus elastica, in Java
von anderen Arten des Feigehbaumes, in Brasilien und Central-
Amerika von der Siphonia .elastica, im indischen Archipelagus von
der Urceolaria elastica, einer riesigen Schlingpflanze, gewonnen.
Seine merkwürdigen Eigenschaften wurden in Europa zuerst durch
Condamine bekannt, der 1735 eine Denkschrift, damals erfolglos,
darüber veröffentlichte. Erst seit etwa 15 Jahren fing dieser Stoff
an, die Aufmerksamkeit der Industriellen auf sich zu ziehen, nach-
dem er vorher nur mehr zu Spielereien und als Keinigungsmittel
des Papiers benutzt worden war. Seine chemischen Eigenschaften
wurden nun erst untersucht, die nicht minder wichtig sind, als
seine mechanischen ; die bedeutendste darunter sind dessen Unauf-
löslichkeit und chemische Beständigkeit. Keine Säure afficirt ihn,
mit Ausnahme der concentrirten Salpetersäure; auflöslich ist er
allein in Naphtha und in einigen ätherischen Oelen, wie Lavendel-
öl, Sassafrasöl u. dergl. In den nicht flüchtigen Oelen, z. B. in
dem Leinöl, ist er zwar gleichfalls auflöslich, aber er verliert in
dieser Verbindung die Eigenschaft des Auftrocknens. Dazu kom-
men die mechanischen Eigenschaften dieses Stoffes, nämlich dessen
Elasticität, Tenacität, Dehnbarkeit, Undurchdringlichkeit für Was-
ser und für Gasarten, Leichtigkeit, Geschmeidigkeit, Erhärtnngs-
fähigkeit, Glätte u. sf w. Auch lässt er sich nicht über den na-
türlichen Grad der Dichtigkeit hinaus verdichten; obschon er
dem starken Drucke nachgibt, springt er immer wieder in seine
normale Dichtigkeit zurück, wogegen er sich mit mehr Leichtig-
keit ausdehnen lässt und in diesem Zustande geneigter ist zu ver-
harren. Endlich lässt er sich legiren und färben.