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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.1299#0236
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Textile Kunst. Processe. Filz. Gewebe. J91

keit unserer von den Grazien verlassenen, im Ueberflusse ihrer
Ressourcen gleichsam versunkenen Kunstweberei. Wie steht sie
zurück in Beziehung auf Geschmack und Erfindung hinter dem,
was bei weit einfachem und beschränktem Mitteln in minder in-
dustriellen aber kunstsinnigem Jahrhunderten aus ihr hervorging
und was noch heute der stehende Webstuhl der Hindu und der
Kurden schafft. Wir haben genug Lehrstühle, auf denen die Wis-
senschaften in ihren Anwendungen auf die industriellen Künste
gelehrt werden, es fehlt noch ganz an einer praktischen Aesthetik
für Industrielle und namentlich für Kunstweber, die, für den arti-
stischen Theil ihrer Industrie nicht vorbereitet, sich desshalb an
Künstler und Zeichner zu wenden gezwungen sind. Diese sind
wieder im Technischen schwach und stehen ausserdem nicht auf
der Höhe künstlerischer und allgemeiner Bildung. Nur ein mit
allen Theilen der Weberei, mit dem Maschinenwesen, mit der Fär-
berei, sowie mit dem Merkantilen des Faches vollständig vertrau-
ter Industrieller, der dabei zugleich Humanist, Gelehrter, Philosoph
und Künstler im wahren Sinne ist und über eine wohl ausge-
stattete und stilhistorisch geordnete textile Sammlung als Lehr-
mittel für seinen Unterricht zu verfügen hat, ist befähigt, ein
solches Amt zu übernehmen. Bei alle dem wird er dem Zeit-
geiste und seinen industriellen Kollegen gegenüber einen schweren
Stand haben. Ich für meinen Theil äussere über dieses Thema
lieber gar nichts als Halbes, Zusammenhangloses, das den Mangel
an gründlichster technischer Kenntniss verrathen müsste! Das
Beste darüber steht vielleicht in Redgrave's bereits öfter zitirtem
Suppleinentary Report on Design; doch ist es nicht zusammen-
hängend genug gegeben, zu unvollständig und im Einzelnen zu
starr schematisch. Der. Stil, soweit er von dem Zwecke einer
Sache abhängig ist, kann freilich in Gesetzen leichter formulirt
werden, als sich die Theorie der Formenlehre in demjenigen Theile,
wo die Form als Funktion der technischen Mittel die in Frage
kommen, betrachtet werden muss, feststellen lässt.

Man müsste systematisch alle Gewebe vom einfachsten Kreuz-
gewebe bis zu den kunstvollsten Polymiten, den brochirten Ar-:

konstruirt. Das Farbensystem, das dabei in. Anwendung kam, war demjenigen
d« Wände oberhalb dieser Getäfel entgegengesetzt. Jenes kalt in sekundären
nnd tertiären Farbentönen sich bewegend, dieses warm und aus primären
pirben bestehend.
 
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