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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.1299#0253
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208 Viertes Hauptstück.

ihren Naturton und man. hütete sich aus den natürlichen Pro-
dukten den abstrakten Färbestoff herauszudestilliren und ihr so
alle Individualität zu nehmen.

Man versuchte auch Mischungen und Vermählungen zwischen
beiden ; z. B. präparirte man tyrischen Purpur mit Coccus, woraus
eine Farbe hervorging die hysginum ■ hiess. Doch tadelt Plinius
diess als eine Ueberfeinerung. •

So verknüpfte ein doppeltes Band die künstlich gefärbten
Stoffe unter sich und mit der Natur, indem letztere im Stoffe und
in den Farben ihr. besonderes Gepräge behielt.. Disharmonien
waren auf diese Weise unschwer vermieden und die herrlichsten
Wirkungen des Gleichgewichts der Farben sowie der Kontraste
erleichtert und vorbereitet. Dieses*.-klassische Prinzip des Fär-
bens reflektirt sich deutlich in, den Benennungen der Färben-
nüancen die bei Kleidern,, Teppichen und sonst die beliebtesten
waren. Abstrakte Farbenbenennungen, wieroth, gchwarz, gelb,
blau, grün etc. sind selten, immer hat die Farbe ein bestimmtes
Naturphänomen zum Vorbilde. Besonders bezeichnend ist in
dieser Beziehung* folgende Beschreibung die uns, Qvidius von
dem römischen Longchamp am Ufer der Tiber gibt: »Der
„schönste Frühling konnte unter dem sanften Himmel Lusitaniens
„die Fluren nicht mit mehreren-und schöneren Farben kleiden,
„als jetzt die Fluren an der Tiber schmücken, wenn der Früh-
ling unsere Schönen zum Spaziergange herauslockt. Es fehlt
„an Namen um alle diese Farben zu unterscheiden. Die paphische
„Myrte oder das dunklere Laub der Eiche, der Mandelbaum, das
„Wachs müssen der Wolle Farbe und Namen geben. Die weisse
„Rose muss sich übertroffen sehen. Hier tritt die Farbe der Luft
„hervor, wenn kein Gewölk sie trübt, dann fliesst der Blick von
„dieser Farbe zu der des Wassers hinüber. Dort bricht, sicher alles
„zu verdunkeln, gleich der Göttin des thauigen Morgens, das lichtere
„Roth hervor, in seinem Gefolge ist die Farbe des goldenen Flieses
„und des tiefgesättigten Amethyst. So vielfältig schimmert nicht der
„Nymphen Reigen in seinen mannichfachen Gewändern und ver-
einigten sich aus dem Meere, aus Quellen, Wäldern und Bergen
„alle Göttinen und alle Farben, denen sie und die Natur gebieten.

1 Das Türkischroth oder etwas Aehnliches.

2 Meierotto über Sitten und Lehensart der Römer, II. S. 213; Graev. Thes.
A. ß. vol. VIII. S. 1310 ff. Ovid. de arte am. 3, 165.
 
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