XXI
Der Verfasser setzt fiir seine Schrift einige Grundbegriffe der Aesthe-
tik als bekannt voraus. Da aber gewisse Auffassungen dieser Begriffe
ihm eigenthiinilich angehören, so schuldet er in Betreff ihrer dem Leser
eine kurze Auseinandersetzung, die, als Anhang eines Vorworts, sich
darauf zu beschränken hat, einzelne in der Schrift vorkommende Termen
zu erklären.
Was wir mit Schönheitssinn, Freude am Schönen, Kunstgenuss, Kunst-
trieb u. s. w. bezeichnen ist in erhabnerer Sphäre analog mit denjenigen
Trieben, Genüssen und Befriedigungen, durch.siehe die Erhaltung des
gemeinen tellurischen Daseins bedungen ist, u?^l»di^ genau betrachtet,
sich auf Schmerz und dessen momentanes Beseitigen* Betäuben oder Ver-
gessen zurückführen lassen. So wie der Zahn des •Hungers das rein
physische Individuum antreibt durch dessen Beseitigung sein Dasein zu
fristen, sowie Frost und Unbehagen ihn zwingen Obdach zu suchen, so-
wie durch diese und andre Nöthe er dahin geführt wird mit allerart
Erfindungen ihnen entgegen zu arbeiten, durch Mühen sich und seiner
Gattung Bestand und Gedeihen zu sichern, in gleicher Weise sind See-
le nlei den uns eingeimpft, durch welche die Existenz und die Vered-
lung des Geistigen im Menschen, und des Menschengeistes im Allgemei-
nen, bedungen sind..
Umgeben von einer Welt voller Wunder und Kräfte, deren Gesetz
der Mensch ahnt, das er fassen möchte, aber nimmer enträthselt, das nur
in einzelnen abgerissenen Akkorden zu ihm dringt und sein Gemüth in
stets unbefriedigter Spannung erhält, zaubert er sich die fehlende Voll-
kommenheit im Spiel hervor, bildet er sich eine Welt im Kleinen, worin
das kosmische Gesetz in engster Beschränktheit, aber in sich selbst abge-
schlossen, und in dieser Beziehung vollkommen, jiervortritt; in diesem
Spiel befriedigt er seinen kosmogonischen Instinkt.
Schafft ihm die Einbildungskraft diese Bilder, indem sie einzelne Na-
turscenen so vor ihm zurecht legt, erweitert und seiner Stimmung an-
passt, dass er im Einzelnen die Harmonie des Ganzen zu vernehmen
glaubt und durch diese Illusion für Augenblicke der Wirklichkeit ent-
rissen wird, so ist diess Naturgenuss, der vom Kunstgenuss eigentlich
prinzipiell nicht verschieden ist, so wie denn auch das Naturschöne (da es
erst entsteht durch die Empfänglichkeit und selbst durch die vervoll-
ständigende Phantasie des Beschauers) dem allgemeinen Kunstschönen
als untere Kategorie zufällt.
Aber dieser künstlerische Genuss des Naturschönen ist keineswegs
die naiveste und ursprünglichste Manifestation des Kunsttriebes, vielmehr
ist der Sinn dafür dem einfachen Naturmenschen unentwickelt, während
es ihn schon erfreut das Gesetz der bildnerischen Natur, wie es in der
Der Verfasser setzt fiir seine Schrift einige Grundbegriffe der Aesthe-
tik als bekannt voraus. Da aber gewisse Auffassungen dieser Begriffe
ihm eigenthiinilich angehören, so schuldet er in Betreff ihrer dem Leser
eine kurze Auseinandersetzung, die, als Anhang eines Vorworts, sich
darauf zu beschränken hat, einzelne in der Schrift vorkommende Termen
zu erklären.
Was wir mit Schönheitssinn, Freude am Schönen, Kunstgenuss, Kunst-
trieb u. s. w. bezeichnen ist in erhabnerer Sphäre analog mit denjenigen
Trieben, Genüssen und Befriedigungen, durch.siehe die Erhaltung des
gemeinen tellurischen Daseins bedungen ist, u?^l»di^ genau betrachtet,
sich auf Schmerz und dessen momentanes Beseitigen* Betäuben oder Ver-
gessen zurückführen lassen. So wie der Zahn des •Hungers das rein
physische Individuum antreibt durch dessen Beseitigung sein Dasein zu
fristen, sowie Frost und Unbehagen ihn zwingen Obdach zu suchen, so-
wie durch diese und andre Nöthe er dahin geführt wird mit allerart
Erfindungen ihnen entgegen zu arbeiten, durch Mühen sich und seiner
Gattung Bestand und Gedeihen zu sichern, in gleicher Weise sind See-
le nlei den uns eingeimpft, durch welche die Existenz und die Vered-
lung des Geistigen im Menschen, und des Menschengeistes im Allgemei-
nen, bedungen sind..
Umgeben von einer Welt voller Wunder und Kräfte, deren Gesetz
der Mensch ahnt, das er fassen möchte, aber nimmer enträthselt, das nur
in einzelnen abgerissenen Akkorden zu ihm dringt und sein Gemüth in
stets unbefriedigter Spannung erhält, zaubert er sich die fehlende Voll-
kommenheit im Spiel hervor, bildet er sich eine Welt im Kleinen, worin
das kosmische Gesetz in engster Beschränktheit, aber in sich selbst abge-
schlossen, und in dieser Beziehung vollkommen, jiervortritt; in diesem
Spiel befriedigt er seinen kosmogonischen Instinkt.
Schafft ihm die Einbildungskraft diese Bilder, indem sie einzelne Na-
turscenen so vor ihm zurecht legt, erweitert und seiner Stimmung an-
passt, dass er im Einzelnen die Harmonie des Ganzen zu vernehmen
glaubt und durch diese Illusion für Augenblicke der Wirklichkeit ent-
rissen wird, so ist diess Naturgenuss, der vom Kunstgenuss eigentlich
prinzipiell nicht verschieden ist, so wie denn auch das Naturschöne (da es
erst entsteht durch die Empfänglichkeit und selbst durch die vervoll-
ständigende Phantasie des Beschauers) dem allgemeinen Kunstschönen
als untere Kategorie zufällt.
Aber dieser künstlerische Genuss des Naturschönen ist keineswegs
die naiveste und ursprünglichste Manifestation des Kunsttriebes, vielmehr
ist der Sinn dafür dem einfachen Naturmenschen unentwickelt, während
es ihn schon erfreut das Gesetz der bildnerischen Natur, wie es in der