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und Senkungen, aus deren Verkettung die geschlossene Figur entsteht.
In dieser Beziehung sind die musikalischen Figuren (Melodien) und die
optischen den gleichen Gesetzen unterworfen, nur dass das Ohr eine
weit verwickeltere Ordnung zu verfolgen und aufzulösen vermag als das
Auge, das in momentaner Anschauung das Ganze zugleich in sich auf-
nehmen soll. Daher sind hei allerdings unendlicher Verschiedenheit eu-
rhythmischer Reihungen bei optischen Figuren kaum mehr als drei Modifi-
kationen der Gliederung gestattet. Ohne Zweifel war der Kanon dafür
bei den Griechen eben so künstlich durchgebildet wie in der Musik und
in der Dichtkunst, wir ahnen ihn in dem mächtigen Zusammenwirken
der dorischen Säulen, in der Kadenz des Gebälkes, in dem unaufhör-
lichen Wiederkehren derselben Gliederverzierungen, das anregt und be-
ruhigt, ohne zu ermüden. Dieser Kanon war bereits zur Römerzeit ver-
gessen, denn Vitruv verwechselt die Eurhythmie schon mit der Proportion
und wirft überhaupt alle formal-ästhetischen Begriffe, die er wahr-
scheinlich bei einem missverstandenen griechischen Autor aufschnappte,
durcheinander, so dass die sie betreffende Stelle dieses Schriftstellers
(lib. I, c. 2), weit entfernt über das Schönheitsgesetz der Griechen Auskunft
zu geben, nur dazu beitrug, über dasselbe Verwirrung zu verbreiten.
Die Eurhythmie besteht in einer geschlossenen Anein-
anderreihung gleichgeformter Raumabschnitte.
Diese kann erstens in ganz gleichen Intervallen erfolgen, so dass
jedes Element dem andern durchaus gleich ist. Derartige einfache
Reihungen sind die Zahnschnitte, die Kannelüren, die Blattkränze, die
einfachsten Perlenstäbe (ohne Disken) und dergl. mehr.
Die Reihe wird zweitens alternirend, wenn wir in den genannten
Beispielen die Elemente noch durch andere Zwischenelemente trennen;
z. B. wenn der einfache Blattkranz nach Art der Herzblattverzierungen in
eine Reihe von zwei mit einander abwechselnden Blättern übergeht, oder
wenn zwischen die Perlen Disken geschoben werden. Auch der Eierstab
mit den sogenannten Pfeilspitzen gibt ein sehr gewöhnliches Beispiel
alternirender Reihung. Dasselbe Prinzip der Alternanz zeigt sich in
dem Kranze der Metopen und Triglyphen. — Kontrast in Form und
Zeichnung, sowie in der Farbe, sind zum deutlichen Ausdrucke der alter-
nirenden Reihung nothwendig. Wiederholung ungleicher Theile in eu-
rhythmischer Kadenz ist das Prinzip der Alternanz.
Äusser den genannten beiden Reihen, der einfachen und der alter-
nirenden, gestattet das Auge noch eine dritte, die reichste. Sie besteht
in der Unterbrechung der einfachen oder auch der alternirenden Reihe
durch periodische Caesuren.
Auch sie' war den Griechen bekannt, obschon bewusstvoll von ihnen
sehr sparsam und nur an Beiwerken geübt.
und Senkungen, aus deren Verkettung die geschlossene Figur entsteht.
In dieser Beziehung sind die musikalischen Figuren (Melodien) und die
optischen den gleichen Gesetzen unterworfen, nur dass das Ohr eine
weit verwickeltere Ordnung zu verfolgen und aufzulösen vermag als das
Auge, das in momentaner Anschauung das Ganze zugleich in sich auf-
nehmen soll. Daher sind hei allerdings unendlicher Verschiedenheit eu-
rhythmischer Reihungen bei optischen Figuren kaum mehr als drei Modifi-
kationen der Gliederung gestattet. Ohne Zweifel war der Kanon dafür
bei den Griechen eben so künstlich durchgebildet wie in der Musik und
in der Dichtkunst, wir ahnen ihn in dem mächtigen Zusammenwirken
der dorischen Säulen, in der Kadenz des Gebälkes, in dem unaufhör-
lichen Wiederkehren derselben Gliederverzierungen, das anregt und be-
ruhigt, ohne zu ermüden. Dieser Kanon war bereits zur Römerzeit ver-
gessen, denn Vitruv verwechselt die Eurhythmie schon mit der Proportion
und wirft überhaupt alle formal-ästhetischen Begriffe, die er wahr-
scheinlich bei einem missverstandenen griechischen Autor aufschnappte,
durcheinander, so dass die sie betreffende Stelle dieses Schriftstellers
(lib. I, c. 2), weit entfernt über das Schönheitsgesetz der Griechen Auskunft
zu geben, nur dazu beitrug, über dasselbe Verwirrung zu verbreiten.
Die Eurhythmie besteht in einer geschlossenen Anein-
anderreihung gleichgeformter Raumabschnitte.
Diese kann erstens in ganz gleichen Intervallen erfolgen, so dass
jedes Element dem andern durchaus gleich ist. Derartige einfache
Reihungen sind die Zahnschnitte, die Kannelüren, die Blattkränze, die
einfachsten Perlenstäbe (ohne Disken) und dergl. mehr.
Die Reihe wird zweitens alternirend, wenn wir in den genannten
Beispielen die Elemente noch durch andere Zwischenelemente trennen;
z. B. wenn der einfache Blattkranz nach Art der Herzblattverzierungen in
eine Reihe von zwei mit einander abwechselnden Blättern übergeht, oder
wenn zwischen die Perlen Disken geschoben werden. Auch der Eierstab
mit den sogenannten Pfeilspitzen gibt ein sehr gewöhnliches Beispiel
alternirender Reihung. Dasselbe Prinzip der Alternanz zeigt sich in
dem Kranze der Metopen und Triglyphen. — Kontrast in Form und
Zeichnung, sowie in der Farbe, sind zum deutlichen Ausdrucke der alter-
nirenden Reihung nothwendig. Wiederholung ungleicher Theile in eu-
rhythmischer Kadenz ist das Prinzip der Alternanz.
Äusser den genannten beiden Reihen, der einfachen und der alter-
nirenden, gestattet das Auge noch eine dritte, die reichste. Sie besteht
in der Unterbrechung der einfachen oder auch der alternirenden Reihe
durch periodische Caesuren.
Auch sie' war den Griechen bekannt, obschon bewusstvoll von ihnen
sehr sparsam und nur an Beiwerken geübt.