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Viertes Hauptstück.
in der Kürschnerei excelliren, wenigstens gilt dieses von denen,
die ein rauhes Klima bewohnen. Sie sind hierin unsere Lehrer und
Meister in noch unzweifelhafterer Weise , als dieses auch auf an-
deren Gebieten der Industrie der Fall ist, -— eine Wahrheit, die
unseren patentirten und durch grosse und kleine Ausstellungsme-
daillen beglaubigten Herrn Hofkürschnern nicht angenehm klingen
mag. Auch hier bedarf es eines einsichtsvollen und ästhetisch
gebildeten Fachmannes, um diesen herrlichen Naturstoff, den wir
jetzt nur in rohester, rein utilitarischer Manier zu behandeln wis-
sen (hierin unendlich barbarischer als Lappländer, Tungusen und
Irokesen) wieder zu Ehren zu bringen, indem er eine mit Illu-
strationen wohl ausgestattete, technisch-stilistische und zugleich
kulturwissenschaftliche Monographie über die Kürschnerei heraus-
gäbe. Nur auf diesem Wege, wenn nämlich jedes Fach der tech-
nischen Künste durch Jemand, der in demselben praktisch ganz
zu Hause ist, nicht mehr, wie bisher, von der bloss technischen
Seite, sondern mit besonderer Berücksichtigung der das Artistisch-
Formelle und den Stil betreffenden Fragen behandelt würde, liesse
sich eine bessere Richtung des Geschmackes auf den unteren Ge-
bieten des Kunstschaffens vorbereiten, und auf solch populärer
Basis würde sodann erst ein weitergreifender, über die höhere
Kunst sich ausdehnender Plan der praktischen Schönheitslehre
fassen können.
Der Mensch lernte frühe die Felle der Thiere so zubereiten,
dass sie der Fäulniss widerstanden und die Geschmeidigkeit er-
langten, wodurch sie geeignet wurden, als Ueberwürfe und zur
Kleidung zu dienen.
Bei der Zubereitung der Felle, besonders wenn sie von erlegtem
Wilde grösserer und edlerer Gattung gewonnen waren, suchte man
den Charakter dieser Thiere möglichst zu erhalten, man liebte es
frühzeitig, durch die Exuvien der Bestien, die man auf den Schul-
tern trug und über den Kopf zog, auf die eigene Kraft, Gewandtheit
und Kampfgier anzuspielen. Mit Löwen- und Pantherfeilen, Bä-
ren- und Wolfshäuten, auch selbst mit den Schuppenfellen der
Fische und Lacerten bekleidete der Mythus der antiken Völker,
die das Mittelmeer umwohnten, ihre Heroen und Heroinen. Die
ägyptischen und assyrischen Priester kostümirten sich mit ihnen,
ein sicheres Zeichen historisch begründeten und uralten Herkom-
mens , denn stets hat die Priesterschaft dieses zu erhalten und sich
•• B. HEIDELBERG
Viertes Hauptstück.
in der Kürschnerei excelliren, wenigstens gilt dieses von denen,
die ein rauhes Klima bewohnen. Sie sind hierin unsere Lehrer und
Meister in noch unzweifelhafterer Weise , als dieses auch auf an-
deren Gebieten der Industrie der Fall ist, -— eine Wahrheit, die
unseren patentirten und durch grosse und kleine Ausstellungsme-
daillen beglaubigten Herrn Hofkürschnern nicht angenehm klingen
mag. Auch hier bedarf es eines einsichtsvollen und ästhetisch
gebildeten Fachmannes, um diesen herrlichen Naturstoff, den wir
jetzt nur in rohester, rein utilitarischer Manier zu behandeln wis-
sen (hierin unendlich barbarischer als Lappländer, Tungusen und
Irokesen) wieder zu Ehren zu bringen, indem er eine mit Illu-
strationen wohl ausgestattete, technisch-stilistische und zugleich
kulturwissenschaftliche Monographie über die Kürschnerei heraus-
gäbe. Nur auf diesem Wege, wenn nämlich jedes Fach der tech-
nischen Künste durch Jemand, der in demselben praktisch ganz
zu Hause ist, nicht mehr, wie bisher, von der bloss technischen
Seite, sondern mit besonderer Berücksichtigung der das Artistisch-
Formelle und den Stil betreffenden Fragen behandelt würde, liesse
sich eine bessere Richtung des Geschmackes auf den unteren Ge-
bieten des Kunstschaffens vorbereiten, und auf solch populärer
Basis würde sodann erst ein weitergreifender, über die höhere
Kunst sich ausdehnender Plan der praktischen Schönheitslehre
fassen können.
Der Mensch lernte frühe die Felle der Thiere so zubereiten,
dass sie der Fäulniss widerstanden und die Geschmeidigkeit er-
langten, wodurch sie geeignet wurden, als Ueberwürfe und zur
Kleidung zu dienen.
Bei der Zubereitung der Felle, besonders wenn sie von erlegtem
Wilde grösserer und edlerer Gattung gewonnen waren, suchte man
den Charakter dieser Thiere möglichst zu erhalten, man liebte es
frühzeitig, durch die Exuvien der Bestien, die man auf den Schul-
tern trug und über den Kopf zog, auf die eigene Kraft, Gewandtheit
und Kampfgier anzuspielen. Mit Löwen- und Pantherfeilen, Bä-
ren- und Wolfshäuten, auch selbst mit den Schuppenfellen der
Fische und Lacerten bekleidete der Mythus der antiken Völker,
die das Mittelmeer umwohnten, ihre Heroen und Heroinen. Die
ägyptischen und assyrischen Priester kostümirten sich mit ihnen,
ein sicheres Zeichen historisch begründeten und uralten Herkom-
mens , denn stets hat die Priesterschaft dieses zu erhalten und sich
•• B. HEIDELBERG