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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0176
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Viertes Hauptstück.

ebene Fläche vermeidet; das Prinzip, wonach dergleichen Ge-
bilde aus Papiermache entstehen, wird später, wenn von der
Hohlkörperkonstruktion (Tubularkonstruktion) die Rede sein wird,
genauer bezeichnet werden; hier genügt es, darauf aufmerksam
gemacht zu haben, wie ein besonderer windschiefer Stil, der
sich in glatten aber geschweiften und gekrümmten Um-
rissen und Oberflächen gefällt, und vornehmlich bei
Möbeln und Geräthen Anwendung findet, in gewissen Fällen und
namentlich in der Technik, von welcher zuletzt die Rede war,
seine volle Berechtigung hat und gleichsam nothwendig wird.
§•35.
Faserstoffe.
Die Erwägung der einfachen Stoffe, die ganz naturwüchsig
oder doch nach vorhergegangener technischer Bearbeitung, durch
welche die struktiven und formellen Eigenschaften der Stoffe keine
wesentlichen Aenderungen erleiden, angewendet werden, hat be-
reits eine fast üb er gebührliche Ausdehnung gewonnen, es ist da-
her Zeit, uns jetzt denjenigen Stoffen zuzuwenden, welche zuerst
einer gänzlichen formellen Umwandlung unterworfen werden
müssen, um sie gewissen Zwecken, die hier in diesem den tex-
tilen Künsten gewidmeten Abschnitte der Schrift in Betracht
kommen, dienstbar zu machen.
Wii’ beschränken uns, dem vorgesteckten Zwecke der Schrift
gemäss, auf die wichtigsten unter ihnen, da sich die meisten an-
deren ähnlich benützten Stoffe in ihren Grundeigenschaften an
dieselben anschliessen, und führen als solche an: den Flachs,
die Baumwolle, die Wolle, die Seide.
Jene beiden gehören dem Pflanzenreiche, die letzteren beiden
dem Thierreiche an; sie liessen sich aber auch anders gruppiren,
um so mehr, da die Seide, obschon das Produkt eines Wurmes,
doch eigentlich kein organisches Erzeugniss ist, sondern sich viel-
mehr mit einem äusserst fein gesponnenen und erhärteten Pflanzen-
gummiröhrchen vergleichen lässt, so dass sie also mit dem Kaut-
schuk in Verwandtschaft tritt. Man kann den Flachs neben die
Seide stellen, die Baumwolle neben die Wolle, denn die in beiden
Gruppen zusammengestellten Stoffe sind einander offenbar in
stilistischer Hinsicht die verwandtesten.
An dieser Stelle dürfen nur diejenigen Bemerkungen über
 
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