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Viertes Hauptstiick.
Forschungen gemacht hat, ist die Kunst die Seidenwürmer zu
pflegen, die Kultur des Maulbeerbaumes und die Fabrikation der
Die zweite Stilperiode reicht bis zu den Zeiten der Hohenstaufen und
gränzt mit der ersten in ihren Anfängen unbestimmt ab.
Die Stoffe dieser Periode waren sehr schwer und dicht gewebt und im
Anfänge derselben meist ungemustert. Die persischen Thierdessins, zweifarbig
und später in Gold gewebt, verbunden mit quadratischen, polygonen, kreis-
förmigen, gekreuzten, gestreiften und sonstigen geometrischen Mustern, herr-
schen vor. Die üblichen Farben sind Gelb, Roth, Purpur und Grau in allen
Nuancen. Die Stickerei findet in dieser Periode, vorzüglich im 8. und 9.
Jahrhundert, eine grossartige Anwendung. Der Damast- und Brokatstil fängt
an , sich aus dem •babylonischen Schwulst, der sich um diese Periode herum
über Europa verbreitet hatte, zu entwickeln. Der Stil der liturgischen Gewänder
folgt im Schnitte gleichfalls asiatischen Traditionen. Die Städte des Orients,
vorzüglich Persien, Alexandrien und später Constantinopel sind die Haupt-
fabrikorte dieser Stoffe. Doch ist es sicher, dass bereits im 10. Jahrhundert
in Frankreich die Seidenweberei in Klöstern und wenig später auch in den
Städten getrieben wurde.
Die dritte sarazenisch-romantische Periode wird mit der Einführung der
Seidenwurmzucht in Sicili.en und der Errichtung einer königl. privil. Seiden-
manufactur in Palermo (um 1152 herum) begonnen und bis in die Zeiten des
Kaisers Karl IV. (1347) fortgeführt. — Höhenpunkt der arabisch-maurischen
Stoffmanufaktur. Grösster Umfang der Seidenfabrikation in Persien , Klein-
Asien, Aegypten und Nordafrika. Blüthe der Seidenindustrie auf der spani-
schen Halbinsel unter dem Sultan Aben-Alhamar. Fabrikstädte Almeria, Gra-
nada, Lissabon. Leichtere Dessins, die Thiermuster nicht mehr vereinzelt
und vorherrschend, sondern in Verbindung mit Laubwerk und rein dekorativ.
Arabeske, Spruchbänder, vielfarbige Stoffe, Goldstoffe, leichte und zarte Ge-
webe, höchste technische Vollkommenheit, Atlas und Sammtstoffe.
Die Manufakturen in Lucca, Florenz, Mailand, Genua, Venedig etc. ent-
stehen als Rivalinnen Palermos und selbst des Ostens. Nachahmung orien-
talischer Stoffe im Technischen und in den Mustern.
Die vierte Periode ist die gothische, bis ungefähr zur Mitte des 16. Jahr-
hunderts. Zwei verschiedene Richtungen in den figurirten Stoffen. Die eine
(Rückkehr zudem falschen Prinzipe des Musterns durch die Vervielfältigung histo-
risch-figürlicher Gegenstände auf Stoffen und Vorhängen mit Hülfe des Webstuhls;
Stoffe mit eingewirkten Heiligenbildern, Engelgruppen auf Goldgrund, oft von
grosser Schönheit aber im Stile verfehlt), macht sich besonders in Italien gel-
tend, derselben Richtung in anderem Sinne angehörig die architektonisch-ver-
zierten Stoffe des Nordens. Zweite Richtung: das rein dekorative Pflanzenge-
ranke, offenbar eine ursprünglich maurische oder sarazenische Flächendekora-
tion, wird typisch und wiederholt sich in unzähligen Variationen ein volles
Jahrhundert hindurch bis zum Schlüsse des Mittelalters, bekannt unter dem
Namen der pomm.es d’amour. Ueberhaupt macht sich, besonders in den pro-
fanen Kleiderstoffen, der heraldische Unsinn und die Geschmacklosigkeit des
späten Ritterthumes geltend. Dagegen gibt sich in den Tapetenstickereien
Viertes Hauptstiick.
Forschungen gemacht hat, ist die Kunst die Seidenwürmer zu
pflegen, die Kultur des Maulbeerbaumes und die Fabrikation der
Die zweite Stilperiode reicht bis zu den Zeiten der Hohenstaufen und
gränzt mit der ersten in ihren Anfängen unbestimmt ab.
Die Stoffe dieser Periode waren sehr schwer und dicht gewebt und im
Anfänge derselben meist ungemustert. Die persischen Thierdessins, zweifarbig
und später in Gold gewebt, verbunden mit quadratischen, polygonen, kreis-
förmigen, gekreuzten, gestreiften und sonstigen geometrischen Mustern, herr-
schen vor. Die üblichen Farben sind Gelb, Roth, Purpur und Grau in allen
Nuancen. Die Stickerei findet in dieser Periode, vorzüglich im 8. und 9.
Jahrhundert, eine grossartige Anwendung. Der Damast- und Brokatstil fängt
an , sich aus dem •babylonischen Schwulst, der sich um diese Periode herum
über Europa verbreitet hatte, zu entwickeln. Der Stil der liturgischen Gewänder
folgt im Schnitte gleichfalls asiatischen Traditionen. Die Städte des Orients,
vorzüglich Persien, Alexandrien und später Constantinopel sind die Haupt-
fabrikorte dieser Stoffe. Doch ist es sicher, dass bereits im 10. Jahrhundert
in Frankreich die Seidenweberei in Klöstern und wenig später auch in den
Städten getrieben wurde.
Die dritte sarazenisch-romantische Periode wird mit der Einführung der
Seidenwurmzucht in Sicili.en und der Errichtung einer königl. privil. Seiden-
manufactur in Palermo (um 1152 herum) begonnen und bis in die Zeiten des
Kaisers Karl IV. (1347) fortgeführt. — Höhenpunkt der arabisch-maurischen
Stoffmanufaktur. Grösster Umfang der Seidenfabrikation in Persien , Klein-
Asien, Aegypten und Nordafrika. Blüthe der Seidenindustrie auf der spani-
schen Halbinsel unter dem Sultan Aben-Alhamar. Fabrikstädte Almeria, Gra-
nada, Lissabon. Leichtere Dessins, die Thiermuster nicht mehr vereinzelt
und vorherrschend, sondern in Verbindung mit Laubwerk und rein dekorativ.
Arabeske, Spruchbänder, vielfarbige Stoffe, Goldstoffe, leichte und zarte Ge-
webe, höchste technische Vollkommenheit, Atlas und Sammtstoffe.
Die Manufakturen in Lucca, Florenz, Mailand, Genua, Venedig etc. ent-
stehen als Rivalinnen Palermos und selbst des Ostens. Nachahmung orien-
talischer Stoffe im Technischen und in den Mustern.
Die vierte Periode ist die gothische, bis ungefähr zur Mitte des 16. Jahr-
hunderts. Zwei verschiedene Richtungen in den figurirten Stoffen. Die eine
(Rückkehr zudem falschen Prinzipe des Musterns durch die Vervielfältigung histo-
risch-figürlicher Gegenstände auf Stoffen und Vorhängen mit Hülfe des Webstuhls;
Stoffe mit eingewirkten Heiligenbildern, Engelgruppen auf Goldgrund, oft von
grosser Schönheit aber im Stile verfehlt), macht sich besonders in Italien gel-
tend, derselben Richtung in anderem Sinne angehörig die architektonisch-ver-
zierten Stoffe des Nordens. Zweite Richtung: das rein dekorative Pflanzenge-
ranke, offenbar eine ursprünglich maurische oder sarazenische Flächendekora-
tion, wird typisch und wiederholt sich in unzähligen Variationen ein volles
Jahrhundert hindurch bis zum Schlüsse des Mittelalters, bekannt unter dem
Namen der pomm.es d’amour. Ueberhaupt macht sich, besonders in den pro-
fanen Kleiderstoffen, der heraldische Unsinn und die Geschmacklosigkeit des
späten Ritterthumes geltend. Dagegen gibt sich in den Tapetenstickereien