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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0215
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Textile Kunst. Stoffe. Seide.

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kommen beipflichten können wir dennoch nicht umhin zu denken
dass Redgrave in seinem Eifer für die konventionelle durchaus
flache Behandlung der Pflanzenornamente auf Stoffen und für das
geometrische „diaper“ vielleicht etwas zu rigoristisch sich aus-
spreche und dass der fortgeschrittene Webstuhl, wenn er nur das
Prinzip der Flachheit und alle sonstigen Stilbedingungen die das
Stoffliche angehen beobachte, sich wohl von den inkunablen
Formen des Webstuhls in der Kindheit emancipiren könne. Man
darf sich z. B. natürliches Rankenwerk mit Schattirung Reflex u.
dgl. auf eine Weise temperirt und mit dem Grunde harmonisch
verschmolzen denken dass die Fläche ungestört bleibe, wie diess
ja selbst bei jedem guten Bilde der Fall sein sollte.
§. 43.
Der Atlas.
Bei aller möglichen Pracht bleibt der Damast und selbst der
Brokat doch immer ein Stoff der auch mit Wolle fast eben so
prächtig gewoben werden kann, wenn auch der Wechsel des
Matten mit dem Glänzenden hier eine etwas andere Wirkung als
bei dem Seidengewebe herbeiführt. — Dagegen ist das Fabrikat
von dem jetzt die Rede sein wird so sehr das Erbgebiet der
Seide, dass, nur der Gold- und Silberdraht, in ähnlicher Weise
verwoben, ihm Entsprechendes hervorbringen kann. Ich meine
den Atlas oder Satin.
Der Atlas ist ein opus plumarium continuum, eine Art von
Grundstickerei zu deren Herstellung man sich des Webstuhles be-
dient. Der genannte Stoff hat gewissermassen gar keine Textur,
sondern besteht aus unausgesetzt nebeneinander gelegten und in
einandergreifenden Plattstichen, so dass der Faden der Seide mög-
lichst lange ungebogen und ungeknickt bleibt und seinen Glanz
mit dem Glanze der parallel gelegten benachbarten Fäden zu
glattester Oberfläche und zu sehr brillanter Wirkung von Licht
und Schatten vereinigt. Die wundervollen Eigenschaften dieses
Stoffs wurden frühzeitig erkannt und derselbe theils uni des
öfteren aber in Verbindung mit matten Parthieen, als glänzender
Gegensatz und Grund für letztere, angewandt.
Da mir leider einige der wichtigsten Bücher über die Ge-
schichte der Seidenfabrikation hier nicht zugänglich sind so weiss
 
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