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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0217
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Textile Kunst. Stoffe. Seide. 167
nendsten sei; ich glaube den so oft vorkommenden Ausdruck
blattin dafür zu erkennen. Allerdings heisst blatta, wie be-
hauptet wird, ursprünglich das rothfärbende Insekt, die Kermes,
das vormals statt der Cochenille zum Hochrothfärben diente, aber
es ist erwiesen, dass dieser Name, wenn er für Stoffe gebraucht
wird, mit der Farbe von welcher er herrührt, wenig im Zusam-
menhang steht, eben so wenig wie dieses beim Scharlach und
beim Purpur der Fall ist, die beide auch Benennungen für Stoffe
sind deren Gemeinsames nicht das Kolorit sondern irgend eine,
bis jetzt noch nicht genau erkannte, technische Eigenthümlich-
keit sein muss. Jedoch möchte ich beinahe bezweifeln dass blatta
ursprünglich das rothfärbende Insekt bezeichne, ich denke bei
diesem Worte unwillkürlich an Blatt, d. h. an eine glatte Ober-
fläche von glänzender und satter Färbung. Dass übrigens das
Feuerroth, das Coclico, das aus dem Safte des Kermesinsekts oder
aus den Galläpfeln die es an den Blättern erzeugt gewonnen
wurde, die recht eigenthümliche, die Farbe par excellence, des Atlas
sei, entspricht durchaus dem Stilgefühle, bestätigt sich ausser-
dem in den wunderbaren Sagen die uns in den Gedichten der
Deutschen über Bereitung und Herkommen des P fe 1 le 1 s, welches
der altdeutsche Name für Atlas zu sein scheint, entgegen-
klingen. Im Wigalois wird erzählt wie in Asien eine Höhle voll
ewigen Feuers sei, in dem die Salamander einen kostbaren Pfellel
wirken der unverbrennbar ist. 1 Eine besondere Art des Pfeileis
hiess Salamander.2 Wolfram von Eschenbach erwähnt eines Pfellels
(Pofuss genannt), so heiss an Glanz , dass ein Strauss seine Eier
daran hätte ausbrüten können. Ausserdem finden sich sowohl
Blatta wie Pfellel, die ich für gleichbedeutend und identisch mit
Atlas oder Satin halte , von den verschiedensten Farben, rothe,
gelbe, grüne, schwarze, später weisse, violette und schillernde.
Eben so mannichfaltig war seine Verwendung für heilige und
profane Bekleidungen, zu Ueberzügen, Ross- und Zeltdecken, Ein-
fassungen und Umsäumungen anderer Stoffe u. dgl. Dass dieses
kostbare Gewebe, „das demjenigen der ihn. trägt unendliche
Pracht verleiht “ und im ganzen Mittelaltei’ neben dem Sammt
und in Verbindung mit ihm das höchste Ansehen behielt, aas
Afrika und Asien kam, darauf weisen die meisten zum Theil er-
1 Wigalois 14462.
2 Wilhelm 366, 5 — 11, Lohengrin 164 und andere.
 
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