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Viertes Hauptstück.
theils sehr langhaarige plüscheähnliche Stoffe. Doch scheint das
angeblich älteste Vorkommniss des Sammts, nämlich ein in den
Pergament-Codex des Theodulf (XII. Jahrh.) zu Le Puy im süd-
lichen Frankreich nebst 53 anderen sehr interessanten Geweb-
stücken eingebundenes Stück Seidenzeug, kurzgeschorener wirk-
licher Sammt zu sein, wodurch dann der Beweis gegeben wäre,
dass der Schritt des Uebergangs zum neuen eigentlichen Sammt-
stile schon vor dem 13. Jahrhunderte geschehen sei.
Die Etymologie des Worts velours, welches im 13. Jahrh.
aufkam, von velum und ursus, kann, wenn sie begründet ist, (was
ich bezweifeln und lieber velours mit dem englischen velvet und
dem deutschen Felbel in Zusammenhang bringen und dabei an
Welf, an das glatte Fell des jungen Hundes oder Löwen denken
möchte,) zur Bestätigung des angeführten Unterschiedes zwischen
der ältesten und den späteren Sammtarten dienen. Der Orient,
der alte Sitz aller Seidenkultur, war auch der Sitz der Sammt-
manufaktur und alle Dichter und Chronisten lassen ihn von
dort kommen, geben ihm orientalische Fabrikationsnamen. Unter
den Geschenken des Harun - al - Raschid an Karl den Grossen
sollen sich auch Sammtstoffe befunden haben. Sie wurden schon
zu dieser Zeit im Orient als Turbans unigebunden. Viele alte
Sammtgewebe sind mit kufischen Schriftsprüchen durchzogen
und besetzt.
Aus dem oben angeführten Berichte des Hugo Falcandus geht
deutlich hervor , dass der Sammtbereitung ein eigenes Atelier in
jener von ihm beschriebenen grossartigen „manufacture royale de
Palerme“ gewidmet war. Der Ausdruck hexamita kann nämlich
bei ihm nichts anderes bedeuten als Sammt, so wie denn über-
haupt die Ableitung dieses Namens von dem griechischen Qdpirog,
sechsfädig, auf das ich noch zurückkommen werde, nicht zweifel-
haft sein kann. 1
Der kurzgeschorene Sammt mag wohl erst recht in Aufnahme
gekommen sein , wie gegen das Ende der Kreuzzüge das Ritter-
thum in seiner vollen Tulpenblüthe stand und nachdem man mit den
Schätzen des Orients bekannt geworden war, der Kleiderprunk
nebst anderem Aufwande seinen höchsten Gipfel erreicht hatte.
Die knappen weltlichen Kleider gestatteten nicht mehr die An-
1 Es haben einige bei diesem Worte an Siam, das indische Reich, gedacht.
Viertes Hauptstück.
theils sehr langhaarige plüscheähnliche Stoffe. Doch scheint das
angeblich älteste Vorkommniss des Sammts, nämlich ein in den
Pergament-Codex des Theodulf (XII. Jahrh.) zu Le Puy im süd-
lichen Frankreich nebst 53 anderen sehr interessanten Geweb-
stücken eingebundenes Stück Seidenzeug, kurzgeschorener wirk-
licher Sammt zu sein, wodurch dann der Beweis gegeben wäre,
dass der Schritt des Uebergangs zum neuen eigentlichen Sammt-
stile schon vor dem 13. Jahrhunderte geschehen sei.
Die Etymologie des Worts velours, welches im 13. Jahrh.
aufkam, von velum und ursus, kann, wenn sie begründet ist, (was
ich bezweifeln und lieber velours mit dem englischen velvet und
dem deutschen Felbel in Zusammenhang bringen und dabei an
Welf, an das glatte Fell des jungen Hundes oder Löwen denken
möchte,) zur Bestätigung des angeführten Unterschiedes zwischen
der ältesten und den späteren Sammtarten dienen. Der Orient,
der alte Sitz aller Seidenkultur, war auch der Sitz der Sammt-
manufaktur und alle Dichter und Chronisten lassen ihn von
dort kommen, geben ihm orientalische Fabrikationsnamen. Unter
den Geschenken des Harun - al - Raschid an Karl den Grossen
sollen sich auch Sammtstoffe befunden haben. Sie wurden schon
zu dieser Zeit im Orient als Turbans unigebunden. Viele alte
Sammtgewebe sind mit kufischen Schriftsprüchen durchzogen
und besetzt.
Aus dem oben angeführten Berichte des Hugo Falcandus geht
deutlich hervor , dass der Sammtbereitung ein eigenes Atelier in
jener von ihm beschriebenen grossartigen „manufacture royale de
Palerme“ gewidmet war. Der Ausdruck hexamita kann nämlich
bei ihm nichts anderes bedeuten als Sammt, so wie denn über-
haupt die Ableitung dieses Namens von dem griechischen Qdpirog,
sechsfädig, auf das ich noch zurückkommen werde, nicht zweifel-
haft sein kann. 1
Der kurzgeschorene Sammt mag wohl erst recht in Aufnahme
gekommen sein , wie gegen das Ende der Kreuzzüge das Ritter-
thum in seiner vollen Tulpenblüthe stand und nachdem man mit den
Schätzen des Orients bekannt geworden war, der Kleiderprunk
nebst anderem Aufwande seinen höchsten Gipfel erreicht hatte.
Die knappen weltlichen Kleider gestatteten nicht mehr die An-
1 Es haben einige bei diesem Worte an Siam, das indische Reich, gedacht.