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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0226
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Viertes Hauptstück.

Stühle für geblümte Stoffe etc. etc. Es sind also die Hexamita
keine geblümte Zeuge und kommt nun hinzu, dass der Sammt
noch heutigen Tages gemeiniglich mit sechs Einschlagfäden gemacht
wird, von denen drei durchschnitten werden, während die übrigen
drei das Gewebe bilden, so wird es sehr wahrscheinlich, dass
Falcandus hier den Sammt gemeint habe. Wären die Hexamita
(was noch angenommen werden könnte) nur ein Tafft oder Le-
vantin von sehr starkem sechsfachem Einschläge gewesen, so
würde ihm wohl nicht mit dem Atlas ein besonderes Atelier ein-
geräumt worden sein.
Es wäre wohl nothwendig, auch über jene leichten und ge-
fälligen Taffte, die nach der Stadt Reims, rensa hiessen, auch
schon im 9. Jahrhundert unter dem Namen Zindel in den ver-
schiedensten Farben in Deutschland getragen wurden, einige stili-
stische Bemerkungen hinzuzufügen.
Sie dienten vorzüglich als Unterfutter und für leichtere Klei-
der und bildeten, wenn sie changirten, das heisst verschieden-
farbig schillerten, den Lieblingsstoff der florentiner und römischen
Malerschule, die ihre edlen Frauengestalten, heilige und profane,
sehr häufig mit Tuniken aus apfelgrünschillernder, rosarother
Tafftseide bekleideten. Dieser schöne, pfauenartig schillernde
Stoff ist gänzlich aus der Mode gekommen und wird nur noch
in England getragen, woselbst er schon im frühen Mittelalter unter
dem Namen Pfawin (fown) fabrizirt wurde. 1
Dessgleichen liesse sich über die kräftigen Levantins und jetzt
sogenannten Gros de Naples, besonders über die schönen Moiree-
stoffe, welche letztere vorzüglich vollen, reichen und zugleich
scharfen Faltenwurf gestatten und die Massen variirt erscheinen
lassen, ohne dass sie durch zu sehr hervorstechende und wohl
gar bedeutungsvolle Muster unterbrochen werden, und manches
Andere noch vieles hinzufügen, wären wir nicht genöthigt diesen
stilistisch historischen Bemerkungen über das Stoffliche der tex-
tilen Künste bestimmmte Schranken zu setzen.
1 Parzival passim. Siehe Karl Weinhold, die deutschen Frauen, S. 424,
wo alle Stellen citirt sind. Ferner Du Cange s. v. pavonatilis pannus.
 
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