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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0240
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Viertes Hauptstück.

unter den maurischen Kalifen. Alle untern Mauerflächen sind mit
derartig gemusterten glasirten Kacheln getäfelt. 1
Die Renaissance, besonders in den Kleinkünsten (der Tö-
pferei, der Tarsia, den Metallarbeiten,) aber auch in der Dekora-
tionsmalerei nahm dieses arabische Motiv wieder auf, was übrigens
schon einmal in der romanischen Zeit des 11. und 12. Jahrhun-
derts in Europa eingeführt gewesen war. (Normannische Kirchen
in Sicilien und in Normandie, viele Motive des sächsisch-romani-
schen Stils, Palast des Dogen zu Venedig.) Der Chinesen und
Inder Vorliebe für das Rohrgeflecht und dessen Bedeutung in der
Urgeschichte der Baukunst und des Stils werden bald zu bespre-
chen sein.
§. 53.
Der Filz.
Die natürlichen Tegumente sind alle Filze, wie z. B. das
Thierfell und der Baumbast. Der Mensch kam früh auf den Ge-
danken, sie nachzubilden und ein Gewirr aus Haaren zu berei-
ten, das ausnehmende Geschmeidigkeit und Dichtigkeit hat, sehr
gut vor Kälte, Nässe und selbst gegen Wunden schützt und da-
bei sehr leicht ist. Grosser Luxus wurde in der nachalexandri-
nischen Zeit damit getrieben; man machte Filze aus Purpurwolle.
Die wollenen Togen der Römer und selbst die leichtern Chlami-
den der Griechen waren zwar gewebte aber durch die Hände und
Füsse der Fullones filzartig zubereitete Wollenstoffe. Frühzeitig
wurden sie zu Hüten, Sandalen und Socken benützt. Ich muss die
weitere technisch-stilistische Bearbeitung dieses interessanten Ar-
tikels sachverständigen Händen überlassen und bemerke nur im
Allgemeinen dass steife Filze, wie unsere Männerhüte, durchaus
stilwidrig sind.
§. 54.
Das Gewebe.
Könnte ich diesen Paragraph würdig ausfüllen, so müsste
er für sich allein ein ganzes Buch umfassen! Was ist hier alles
zu machen! Jeder Salon, jedes Nouveautätengewölbe, jeder Jahr-
markt, jede Industrieausstellung gibt Zeugniss von der Rathlosig-
1 Vergl. Owen Yones in seiner Alhambra, der die verschiedenen Prinzipe,
nach denen man bei der Komposition dieser Muster verfuhr, sorgfältig behan-
delt; sie waren entweder aus dem Quadrat oder aus dem gleichseitigen Sechseck
 
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