Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0246
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
196

Viertes Hauptstück.

aber immer in streng konventioneller Weise und unter einem
gewissen Zwange, den die Quadratur des Netzes verschreibt. 1
Es ist merkwürdig, dass der Kreuzstich die Methode des
Stickens bei den Aegyptern war, 2 (noch viele Ueberreste in dieser
Manier haben sich erhalten,) dass dagegen die Assyrier ihre
Stickereien im Plattstich ausführten, der auch noch heutigen
Tages in Indien und China der vorherrschende ist. Möchte man
nicht schon in diesem Unterschiede einen Beweis des wichtigen


1 Die ganz „au petit. point“ ausgeführten Tapeten aus den Zeiten Lud-
wigs XV. lassen einen gewissen, dem Verfahren bei ihrer Ausführung ange-
messenen Stil mitten durch die Freiheiten und Willküren der damaligen
Kunstrichtung hindurchschimmern.
2 Da das opus phrygioniuin (oder opus phrygium) der Alten sicher nichts
anderes war als die Kreuzstickerei, so lässt sich daraus schliessen , dass auch
in Kleinasien diese dem opus plumarium entgegengesetzte Technik die allge-
mein bei Stickereien übliche war. Petronius erwähnt des plumatum Babyloni-
cum. Der beifolgende Holzschnitt gibt eine Linnenstickerei die sich unter
anderen nicht minder kunstreichen Mustern derselben Art auf eine Tunika
aufgenäht fand, die in dem Innern eines Grabes zu Saquara in Aegypten ge-
funden wurde. Das Grab ist noch aus dem alten Reiche, somit ist dieses zier-
liche Nadelwerk vielleicht über 6000 Jahre alt.
Mehreres über das Stickereiwesen der Alten findet man in den Noten des
Salmasius zum Flavins Vopiscus passim.
 
Annotationen