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Viertes Hauptstück.
auf den spätem Reliefs sehen wir nur quadrirte und andere zwar
reich aber regelmässig gemusterte Kleider aus buntgewebten
Stoffen. Von den Chinesen wissen wir dass ihre ältesten Fa-
brikate glatte (schlichte ungemusterte) Stoffe waren, die mit Fe-
dern erst bunt bestickt wurden.
Aber es bedarf kaum solcher geschichtlichen Nachweise eines
Sachverhaltes der sich gewissermassen von selbst versteht. Ich
wiederhole, das Nähen ist älter als das Weben und das erstere
führte auf die Idee des Stickens, die viel früher auf Leder und
Baumrinde als auf eigentlichen Geweben ausgeführt wurde.
Diese selbst und desshalb um so mehr ihre spätem figurirten
Ausbildungen sind daher spätem Ursprungs als die gestickten
Tegumente.
Diese Fragen können für die Praxis gleichgültig erscheinen;
dem der in allem was zur Kunst gehört den innigsten Zu-
sammenhang zu erkennen weiss und die künstlerische Auffassung
als die Höhe der Praxis betrachtet, sind sie es nicht. Doch wen-
den wir uns zu andern Betrachtungen, die in unmittelbarem Be-
züge zu der Praxis stehen und handgreiflicher sind.
Ich will nicht erst zurückrufen, dass der Stil der Stickerei
sich nach dem Stoff zu richten habe, auf dem und womit ge-
stickt wird, dass z. B. die Stickerei auf einei- rothen Hirschleder-
hose oder auf einem Tabaksbehälter von gelber Ahornrinde ver-
schieden sein müsse von einer Stickerei auf Kaschmirstoff oder
auf weissem durchsichtigem Mousseline, (obschon moderne Fa-
brikate dieser letztem Art, worauf sich namentlich die Schweizer
vieles einbilden, unter zahllosen andern Beispielen unsäglich ge-
schmackloser modernster Akupiktur die Grenzen dieser Unter-
schiede durchaus nicht zu erkennen geben,) denn die Gesetze
die hier obwalten gehören mehr in den Bereich des Stils soweit
er vom Stofflichen und vom Zwecklichen abhängt und sind da-
her zum Theil schon in dem Vorhergegangenen, welches den
Stil von diesen Seiten behandelte, berührt worden; nur das sei
noch in Bezug auf diese Unterschiede, die immer auch durch die
in Frage kommenden Prozeduren in etwas bedungen sind, be-
merkt, dass feste und derbe Stoffe worauf gestickt wird verhält-
nissmässig grobe Stiche erheischen die mit Fäden ansgeführt
sind deren Stärke dem Grunde entspricht, dass ihnen eine dichte
und volle Stickerei, aber den feinen schleierartigen Gespinristen
Viertes Hauptstück.
auf den spätem Reliefs sehen wir nur quadrirte und andere zwar
reich aber regelmässig gemusterte Kleider aus buntgewebten
Stoffen. Von den Chinesen wissen wir dass ihre ältesten Fa-
brikate glatte (schlichte ungemusterte) Stoffe waren, die mit Fe-
dern erst bunt bestickt wurden.
Aber es bedarf kaum solcher geschichtlichen Nachweise eines
Sachverhaltes der sich gewissermassen von selbst versteht. Ich
wiederhole, das Nähen ist älter als das Weben und das erstere
führte auf die Idee des Stickens, die viel früher auf Leder und
Baumrinde als auf eigentlichen Geweben ausgeführt wurde.
Diese selbst und desshalb um so mehr ihre spätem figurirten
Ausbildungen sind daher spätem Ursprungs als die gestickten
Tegumente.
Diese Fragen können für die Praxis gleichgültig erscheinen;
dem der in allem was zur Kunst gehört den innigsten Zu-
sammenhang zu erkennen weiss und die künstlerische Auffassung
als die Höhe der Praxis betrachtet, sind sie es nicht. Doch wen-
den wir uns zu andern Betrachtungen, die in unmittelbarem Be-
züge zu der Praxis stehen und handgreiflicher sind.
Ich will nicht erst zurückrufen, dass der Stil der Stickerei
sich nach dem Stoff zu richten habe, auf dem und womit ge-
stickt wird, dass z. B. die Stickerei auf einei- rothen Hirschleder-
hose oder auf einem Tabaksbehälter von gelber Ahornrinde ver-
schieden sein müsse von einer Stickerei auf Kaschmirstoff oder
auf weissem durchsichtigem Mousseline, (obschon moderne Fa-
brikate dieser letztem Art, worauf sich namentlich die Schweizer
vieles einbilden, unter zahllosen andern Beispielen unsäglich ge-
schmackloser modernster Akupiktur die Grenzen dieser Unter-
schiede durchaus nicht zu erkennen geben,) denn die Gesetze
die hier obwalten gehören mehr in den Bereich des Stils soweit
er vom Stofflichen und vom Zwecklichen abhängt und sind da-
her zum Theil schon in dem Vorhergegangenen, welches den
Stil von diesen Seiten behandelte, berührt worden; nur das sei
noch in Bezug auf diese Unterschiede, die immer auch durch die
in Frage kommenden Prozeduren in etwas bedungen sind, be-
merkt, dass feste und derbe Stoffe worauf gestickt wird verhält-
nissmässig grobe Stiche erheischen die mit Fäden ansgeführt
sind deren Stärke dem Grunde entspricht, dass ihnen eine dichte
und volle Stickerei, aber den feinen schleierartigen Gespinristen