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Viertes Hauptstück.
Meers auf mannichfaltigste aber natürlichste Weise nüancirt und
zum Theil in die entgegengesetztesten Farben, in Roth, Gelb und
Blau, umgearbeitet wird, die aber alle durch einen und denselben
wunderbar milden aber zugleich tiefen und austeren Familienzug
verbunden sind. Man gehe durch ein Conchylienkabinet und ver-
gleiche alle die hundertfältigen Töne vom Hochroth durch das
Violett zum Blau, vom Blau durch das Meergrün zum Seegras-
gelb, vom Gelb durch alle Nuancen zum Weiss, das auch vom
Blau und vom Roth aus erreicht wird, immer seine „hue“ als
Seeweiss behält und in der Perle seine Glorie feiert, die alle
drei Grundfarben und alles Dazwischenliegende in sich fasst und
abspiegelt: — hat man sich von der wunderbaren Harmonie
zwischen den Farben aller dieser Seeprodukte überzeugt, oder sie
noch grossartiger in der ewig wechselnden Farbenpracht des
Meergrundes erkannt der alle diese Produkte schuf, dann weiss
man auf einmal klar was die Alten unter Purpurfarben verstan-
den und wie Schwarz, Violett, Roth, Blaugrün und Gelb, selbst
Weiss unter Umständen und bei bestimmter Abtönung dazu zu
rechnen war. Drei Stoffe dienten den Alten hauptsächlich zu
der Bereitung dieser Farben, 1 Seegewächse verschiedener Art
und zwei Gattungen von Meermuscheln; die eine, buccinum,
Gr. keryx, fand man an Klippen und Felsen; die andere, pur-
pura oder pelagia, wurde durch Köder in dem Meere gefangen.
Sie fanden sich beide in grosser Menge in dem ganzen Mittel-
meere und selbst in dem atlantischen Ocean, sowie in dem per-
sischen Meerbusen. In der Güte der Farbe und in den Farben
selbst waren sie nach den Fundorten verschieden. Die Muscheln
des atlantischen Oceans gaben den schwärzesten, die an den
italischen und sicilischen Küsten einen violetten, die phönikischen
und die der südlichen Meere einen hochrothen Purpur.
Die Phönikier werden als die Erfinder dieser Färberei ange-
geben, durch sie verbreitete sich der Geschmack und die Vorliebe
für den Purpur über Europa, Afrika und Asien. Sie blieben
keineswegs im alleinigen Besitze dieser Industrie, aber sie sahen
sich im Stande, durch die Umstände begünstigt, sie zu einem
1 Plin. H. N. IX. 36. Sed unde conchyliis pretia ? quis virus gravis in
fuco, cblor austerus in glauco, et irascenti similis mari ? — A. Schmidt nimmt
an Plinius habe hier auf den Gestank dieser Farben hingedeutet: mit wel-
chem Rechte, bleibe dem Leser zur Entscheidung überlassen.
Viertes Hauptstück.
Meers auf mannichfaltigste aber natürlichste Weise nüancirt und
zum Theil in die entgegengesetztesten Farben, in Roth, Gelb und
Blau, umgearbeitet wird, die aber alle durch einen und denselben
wunderbar milden aber zugleich tiefen und austeren Familienzug
verbunden sind. Man gehe durch ein Conchylienkabinet und ver-
gleiche alle die hundertfältigen Töne vom Hochroth durch das
Violett zum Blau, vom Blau durch das Meergrün zum Seegras-
gelb, vom Gelb durch alle Nuancen zum Weiss, das auch vom
Blau und vom Roth aus erreicht wird, immer seine „hue“ als
Seeweiss behält und in der Perle seine Glorie feiert, die alle
drei Grundfarben und alles Dazwischenliegende in sich fasst und
abspiegelt: — hat man sich von der wunderbaren Harmonie
zwischen den Farben aller dieser Seeprodukte überzeugt, oder sie
noch grossartiger in der ewig wechselnden Farbenpracht des
Meergrundes erkannt der alle diese Produkte schuf, dann weiss
man auf einmal klar was die Alten unter Purpurfarben verstan-
den und wie Schwarz, Violett, Roth, Blaugrün und Gelb, selbst
Weiss unter Umständen und bei bestimmter Abtönung dazu zu
rechnen war. Drei Stoffe dienten den Alten hauptsächlich zu
der Bereitung dieser Farben, 1 Seegewächse verschiedener Art
und zwei Gattungen von Meermuscheln; die eine, buccinum,
Gr. keryx, fand man an Klippen und Felsen; die andere, pur-
pura oder pelagia, wurde durch Köder in dem Meere gefangen.
Sie fanden sich beide in grosser Menge in dem ganzen Mittel-
meere und selbst in dem atlantischen Ocean, sowie in dem per-
sischen Meerbusen. In der Güte der Farbe und in den Farben
selbst waren sie nach den Fundorten verschieden. Die Muscheln
des atlantischen Oceans gaben den schwärzesten, die an den
italischen und sicilischen Küsten einen violetten, die phönikischen
und die der südlichen Meere einen hochrothen Purpur.
Die Phönikier werden als die Erfinder dieser Färberei ange-
geben, durch sie verbreitete sich der Geschmack und die Vorliebe
für den Purpur über Europa, Afrika und Asien. Sie blieben
keineswegs im alleinigen Besitze dieser Industrie, aber sie sahen
sich im Stande, durch die Umstände begünstigt, sie zu einem
1 Plin. H. N. IX. 36. Sed unde conchyliis pretia ? quis virus gravis in
fuco, cblor austerus in glauco, et irascenti similis mari ? — A. Schmidt nimmt
an Plinius habe hier auf den Gestank dieser Farben hingedeutet: mit wel-
chem Rechte, bleibe dem Leser zur Entscheidung überlassen.