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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0280
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Viertes Hauptstück.

den Anlass der Feier näher bezeichnet und die Verherrlichung
des Festes erhöht geschmückt und ausgestattet, mit Teppichen
verhangen, mit Reisern und Blumen bekleidet, mit Festons und
Kränzen, flatternden Bändern und Tropäen geziert, diess ist das
Motiv des bleib enden Denkmals, das den feierlichen Akt und
das Ereigniss das in ihm gefestet ward den kommenden Genera-
tionen fortverkünden soll. So ist der ägyptische Tempel aus
dem Motive des improvisirten Wallfahrtsmarktes entstanden, der
gewiss sehr häufig noch in später Zeit in ganz ähnlicher Weise
aus Pfählen und Zeltdecken zusammengeschlagen wurde, wo
irgend ein Lokalgott dem noch kein fester Tempel erbaut war
in den Geruch besonderer Wunderthätigkeit kam und die wall-
fahrenden Fellahs Altägyptens in unerwartet zahlreichen Zügen
zu seinem Feste herbeilockte. (Siehe im zweiten Theile: Aegypten.)
So sind, um ein anderes Beispiel zur Erläuterung des Gesagten
anzuführen, jene bekannten lykischen Grabmäler, deren zwei jetzt

in dem brittischen Mu-
seum aufgestellt sind,
jene sonderbaren Holzge-
rüste in Stein ausgeführt,
zwischen den Balken mit
bemalten Relieftafeln ver-
ziert und als Oberstock
oder Aufsatz ein gleich-
falls reich skulptirtes mit
ausladenden Höckern, ei-
nem spitzbögigen Dache
und krönender Krista aus-
gezeichnetes sarkophag-


ähnliches Monument tragend, so sind sage ich diese angeblichen
Nachbildungen eines eigenen lykischen Holzbaustiles weiter nichts
als Scheiterhaufen, nach der auch bei den Römern üblichen
M eise künstlich aus Holz zusammengezimmert und mit reichen
Teppichen behangen, oben die Bahre (qp/^sTpor) unter der sie be-
deckenden und verhüllenden reich vergoldeten Kapsel (xccZvjtt?;^). 1
Aber Scheiterhaufen in monumentaler Restitution.
1 Diodor. XVIII. 26 wo er den Sarkophag Alexanders beschreibt. In einem
Grabe bei Panticapea wurde ein ähnlicher hölzerner Katafalk mit Malereien
gefunden. Journal des Savants. Juin 1835 p. 338—9.
 
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