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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0317
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Textile Kunst. Indien.

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primitives Element der orientalischen Baukunst bilden, das wir
schon aus China kennen und dem wir in Aegypten , dem alten
Hellas und in Rom wieder begegnen.
„In den oberen Gemächern des Palastes, wo vor dem Tode
des früheren Rajah die Frauen seines Serails wohnten, waren die
Fussböden noch sorgfältig mit gesteppten Decken aus weisser
Baumwolle oder mit kostbaren persischen Teppichen belegt. . . .
An verschiedenen Orten des Gebäudes bemerkte ich dicke Thüren
aus Holz, deren Riegel und Schlösser so roh waren wie an Ge-
fängnissthüren, aber in den Gemächern selbst waren die
verschiedenen Zimmer nur durch reiche gestreifte
Vorhänge, die vor den Arkaden aufgehängt waren ge-
trennt
... Die Mauern und die Plafonds waren reich mit
Malerei und Skulptur verziert und einige unter ihnen von
oben bis unten mit kleinen Spiegeln von den bizarr-
sten Formen ausgelegt.“ Auch diese Sitte werden wir in
dem verfeinerten orientalisirten Rom der Kaiserzeit wiederfinden.
Sehen wir nun, ehe wir uns weitere Schlussfolgerungen aus
dem bereits vor uns Liegenden gestatten, was der uns in jeder
Beziehung näher gelegene westliche Abhang der grossen asiati-
schen Hochebene für unsere Frage Berücksichtigenswerthes bietet.
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Mesopotamien.
Auch die Wissenschaft hat ihre Modethorheiten, die sich am
krassesten hervorthun, wenn ein wirklicher Wendepunkt in ihr
sich vorbereitet. Kaum haben wir eingesehen, jlass unsere sehr
gerechte Begeisterung für Hellas insofern auf falscher Fährte
war, als wir dasselbe ganz aus sich heraus konstruiren wollten
und als etwas in sich Vollständiges, Absolutes, ansahen, so ist
jetzt auf einmal Assyrien unser Vorbild und geht man allen Ernstes
daran, ein assyrisch-europäisches Vasallenkaiserreich mit dem
Schwerpunkte in Wien wissenschaftlich vorzubereiten. Anderseits
sieht man wieder das Vorbild der Zukunft in der abstrakten de-
jokischen Königsidee und dem Sittengesetze Zoroasters, dem
trocken unerquicklich unfruchtbaren Erzeugnisse der Salzwüste
Hochmediens, und findet ein weltbeglückendes Analogon dafür in
 
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