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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0331
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Textile Kunst. Exkurs. Tapezierwesen der Alten.

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„geweben theils sogar mit wirklichem Golde, das getriebene Bild-
„werke zeigt, geschmückt. Die Stickereien der Vorhänge sind
„der griechischen Fabel entnommen . . . andere zeigen Datis, der
„die Insel Naxos dem Meere entreisst und Artaphernes der
„Eretria belagert etc.“ Man sieht der Grieche legt den asia-
tischen Heroen ihm bekannte Namen bei, aber man erkennt
in seiner Beschreibung dieselben Darstellungen die wir auf den
Alabasterplatten von Nimrud, Chorsabad und Kudjundschik sehen.
Von den Aegyptern wissen wir Aehnliches; Clemens Alexandr.
Paedog. III. 2 p. 216. E. Sylb. spricht von den ägyptischen Tem-
pelverhüllungen und Teppichvorhängen, hinter welchen sich ein
fratzenhaftes Götzenbild befinde. Wir werden sehen wie die
Monumente Aegyptens eine vielfache Anwendung von Draperieen
zu ihrer Vervollständigung voraussetzen lassen und wie sie selbst
in engem stilistischen Zusammenhänge mit der Draperie stehen.
Wie das Umspannen und Behängen der Räume1 bei den Grie-
chen eine uraltherkömmliche Sitte war, die bei geweihten Plätzen
besondere religiöse Bedeutung beibehielt, davon zeugen viele
Stellen bei den alten Tragikern, die dabei zugleich ganz ähnliche
Vorrichtungen, die das Publikum auf der Scene vor Augen hatte,
zu erklären bemüht sind. Vorzüglich wichtig ist in dieser Be-
ziehung der Ion des Euripides, der einen guten Theil seines
Schmuckes von den Paramenten des delphischen Apollotempels
entlehnt, wie sie wohl noch zur Zeit des Dichters in den The-
sauren aufbewahrt und bei Tempelfeiern ausgestellt wurden. Das
ganze Stück ist gleichsam eine Tempelexegese, und wird im Fol-
genden noch öfter citirt werden müssen.
Gewisse vornehmlich ehrwürdige Orte der Heiligthümer erhielten
durch Vorhänge besondere Weihe und wurden nur durch diese
einfache und ursprüngliche Scheidung als dem Nichtgeweihten
unzugänglich bezeichnet. So war bekanntlich das Allerheiligste
des mosaischen Sanktuariums nur durch prachtvolle Vorhänge
von der eigentlichen Tempelcella geschieden.
Die Götterbilder standen in besonders abgeschlossenen Kapellen
(aedicula, secos, hedos) die mit Draperieen verhangen waren und
nur zu bestimmten Zeiten enthüllt wurden. Bei Todten- und
1 Ammianus berichtet in seinem 24. Buche, dass die Assyrier auf ihren
Auläen meistens Jagden und Kriegsseenen darzustellen pflegten.
Semper. gg
 
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