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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0335
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Textile Kunst. Exkurs. Tapezierwesen der Alten.

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Baues und zu dessen Vervollständigung; doch beschränkte sich
das Draperiewesen der Alten keinesweges hierauf allein, es kam
noch in häutige Anwendung um subdiale, d. h. hofähnlich ganz
oder zum Theil dachlose Räume von Oben gegen Sonne und
Wetter zu schützen und sie wohnlich zu machen. Himmeldecken
und Baldachine aller Art werden nicht selten erwähnt und
ausserdem bieten die Wandmalereien auch hierüber erwünschte
Auskunft.
Die genauere Bezeichnung einer solchen Decke als freischwe-
bendes Himmelszelt war bei den Griechen Pteryx und Uraniskos,
während Bezeichnungen wie Parapetasma, Peplos und das spätere
Auläum promiscue für senkrechte und horizontale Gewanddecken
gebraucht wurden.
Der Gebrauch der Himmeldecken bei subdialen Räumen ist
wohl so alt wie diese selbst. Sichere Wahrnehmungen an den
Monumenten Aegyptens deuten darauf hin, dass diese für ihre
Anwendung berechnet sind und was mehr ist, dass die Himmel-
decken ein integrirendes Element des ägyptischen Stiles bilden.
Aehnliches lässt sich von der Baukunst Westasiens behaupten,
obschon uns hier dafür die thatsächlichen Beweise fehlen. Auch
bei den Griechen waren die gewebten Himmeldecken sowohl in
stofflicher wie in symbolischer Anwendung von grösster Bedeutung;
über das Himmelszelt als Symbol des hellenischen Baustils und
dessen grosse Wichtigkeit als solches wird später erst zu sprechen
sein, was aber jene Anwendung wirklicher gewebter Stoffe als
Himmeldecken in Verbindung mit hellenischen Bauanlagen betrifft,
so steht auch diese unzweifelhaft fest, wenn es schon an ganz
sicheren Gewährstellen für diesen Gebrauch bei den alten Schrift-
stellern fehlen mag. Man hat die Vermuthung aufgestellt dass
der berühmte panathen äis ehe Peplos der Athenastatue ein
solcher Uraniskos gewesen sei der zum Schutze der Gottheit
unter der Tempeldecke aufgehängt wurde, eine Vermuthung die
Böttiger 1 wie mir scheint zu entschieden verwirft, da sich doch
aus der Stelle des Ion, 2 die er bei dieser Gelegenheit citirt, ganz
unfehlbar wenigstens soviel ergibt, dass Himmeldecken unter dem
Namen von Peplen in dem Tempelwesen der Alten nichts Unge-
wöhnliches waren. (S. weiter unten.)
1 Kleine Schriften III. 455.
2 Euripid. Jon. v. 1157, ngcätov [ilv ogocptp TCEQißcÜUi ntnlnv.
 
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