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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0338
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288

Viertes Hauptstück.

weisen, die ihm von Klytemnestra gebreiteten Purpurteppiche zu
betreten.
Erst nach Alexander kam dieser Luxus an den üppigen Höfen
der Könige und Tyrannen auf. Schon Clitus hatte nach Phylar-
chus seinen Audienzsaal mit Purpurteppichen belegt.1 Das Zelt
des Ptolemaeus Philopator hatte in der Mitte zwischen den Lager-
betten und Tischen einen Gang, der mit glatten persischen Ta-
peten belegt war, deren eingestickte (oder gewebte) Darstellungen
von Thieren und Menschen durch die Schönheit ihrer Zeichnung
Bewunderung erregten.2
So mochte dieser asiatische Aufwand auch in die bürgerlichen
Wohnungen Eingang finden, 3 obschon wohl nur in beschränkte!'
Weise. Dasselbe gilt von den Römern.
Die oben besprochenen Tapezierarbeiten bilden mehr oder
weniger integrirende Theile des architektonischen Systemes und
sind wohl zu unterscheiden von jenen, die bei besonders festlichen
Veranlassungen aus dem Garde-meuble hervorgeholt wurden.
Die Tempelcella mit ihrem prachtvollen Peripferos, der Peri-
bolos mit seinen Stoen, die Aula und der Oikos des Wohnhauses
mögen durch die vereinten Künste des Architekten, Bildhauers,
Malers und Vestiarius noch so vollendet ausgestattet sein, die
Wände von Edelsteinen und Metall glänzen oder mit Meister-
werken der Künste bedeckt sein, bei Pompen, Mahlzeiten und
Festen werden sie dennoch durch Einbaue und Bekleidungen
aller Art geputzt und umstellt; die Lakunarien aus Cedernholz,
Gold und Elfenbein erscheinen mit Auläen aus kostbarem Purpur
malerisch und prunkvoll halb verhängt, als sei keine Decke vor-
handen und lagerte man unter Zelten. Die Marmor- und Porphyr-
säulen verstecken sich halb hinter gestickten Tapeten, die sie eng
umschliessen, oder sie sind mit Laubgewinden, Reisern und
Kränzen zu neuer improvisirter Ordnung umgestaltet. Vor die
kostbar ausgestattete Architektur der Wände werden Draperie-
schirme gestellt, um den Saal festlicher und zugleich wohnlicher
zu machen.4 Aehnliche Vorrichtungen setzen sich auch auswärts
1 Athen. XII. 55.
2 Athen. V. 26.
3 Terent. Phorm. prol. 27. Tegiculum dicunt Graeci quod insternitur
pavimentum.
4 Beim Hochzeitmahle des Makedoniers Karanos war ein Oikos ringsum
mit weissen Battistdraperien behangen, die sich aufthaten und hinter welchen
 
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