Textile Kunst. Exkurs. Tapezierwesen der Alten.
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zipes nennen. Es ist nicht allein auf diesem dekorativen Ge-
biete dass sich in der Geschichte der Baukunst die Superfötation,
die Ueberwucherung eines fruchtbaren Motives, offenbart, wir wer-
den ihr noch öfter begegnen.
Dieses üppige Motiv, zuerst aus der Ueberfülle zusammen-
getragener Kunstgegenstände die architektonisch unterzubringen
waren in gewissem Sinne naturgemäss entstanden, wurde dann,
wie die Quelle fremden Reichthums anfing zu versiegen, die ohne-
diess nur wenigen Mächtigen zufloss, wiederum im Ganzen von
der Dekorationsmalerei als Süjet aufgenommen und in phantasti-
scher Weise, mit allen Freiheiten welche die von der Wirklich-
keit emancipirte Kunst des dekorirenden Architekten sich nahm,
bei der Ausstattung der äusseren und inneren Wände durchge-
führt. So entstanden jene Wandmalereien des kaiserlichen Roms
gegen welche Plinius und Vitruv 1 mit etwas beschränkter Ge-
schmackspuristik so gewaltig entrüstet sind, die uns aber im höch-
sten Grade interessiren, weil sie uns gleichsam die letzte Metamor-
phose des antiken Bekleidungsprinzipes in eine architektonische
Ordonnanz vor Augen stellen, so dass wir noch öfter auf sie
zurückkommen werden.
Ein nicht unwichtiger Gegenstand bleibt noch zu erwähnen,
der zusammen mit dem Vorhergehenden geeignet ist das für unser
Thema Interessante welches die Ueberreste chaldäischer, assyri-
scher und persischer Baukunst bieten deutlichei’ hervortreten zu
lassen. Ich meine gewisse leichte temporaire Festbauten, wie
Prachtzelte, provisorische Hallen, Scheiterhaufen und dergleichen
Anlagen, die meistens mit festlichen Anordnungen wie die vorher
besprochenen gleichzeitig und aus gleichen Elementen entstehen,
aber in einem Punkte, den ich sogleich hervorheben werde, für
unser Thema ganz spezielles Interesse bieten.
Das älteste Prachtzelt und das berühmteste unter allen ist die
Stiftshütte Mosis, von der wir die genauesten architektonischen
Beschreibungen2 besitzen die überhaupt über Bauwerke des
1 Beide genannte Schriftsteller sowie Seneca, Petrori und die Zeitgenossen
die über den Verfall der Malerei ihrer Zeit Klage führen sind immer noch
nicht richtig verstanden, in dem nämlich was den eigentlichen Gegenstand
ihrer Klage bildet.
2 Ihre Aechtheit, das heisst dass sie dem ursprünglichen Texte der Bücher
Mosis angehören und dass sie mehr als Erfindungen späterer Zeiten seien,
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zipes nennen. Es ist nicht allein auf diesem dekorativen Ge-
biete dass sich in der Geschichte der Baukunst die Superfötation,
die Ueberwucherung eines fruchtbaren Motives, offenbart, wir wer-
den ihr noch öfter begegnen.
Dieses üppige Motiv, zuerst aus der Ueberfülle zusammen-
getragener Kunstgegenstände die architektonisch unterzubringen
waren in gewissem Sinne naturgemäss entstanden, wurde dann,
wie die Quelle fremden Reichthums anfing zu versiegen, die ohne-
diess nur wenigen Mächtigen zufloss, wiederum im Ganzen von
der Dekorationsmalerei als Süjet aufgenommen und in phantasti-
scher Weise, mit allen Freiheiten welche die von der Wirklich-
keit emancipirte Kunst des dekorirenden Architekten sich nahm,
bei der Ausstattung der äusseren und inneren Wände durchge-
führt. So entstanden jene Wandmalereien des kaiserlichen Roms
gegen welche Plinius und Vitruv 1 mit etwas beschränkter Ge-
schmackspuristik so gewaltig entrüstet sind, die uns aber im höch-
sten Grade interessiren, weil sie uns gleichsam die letzte Metamor-
phose des antiken Bekleidungsprinzipes in eine architektonische
Ordonnanz vor Augen stellen, so dass wir noch öfter auf sie
zurückkommen werden.
Ein nicht unwichtiger Gegenstand bleibt noch zu erwähnen,
der zusammen mit dem Vorhergehenden geeignet ist das für unser
Thema Interessante welches die Ueberreste chaldäischer, assyri-
scher und persischer Baukunst bieten deutlichei’ hervortreten zu
lassen. Ich meine gewisse leichte temporaire Festbauten, wie
Prachtzelte, provisorische Hallen, Scheiterhaufen und dergleichen
Anlagen, die meistens mit festlichen Anordnungen wie die vorher
besprochenen gleichzeitig und aus gleichen Elementen entstehen,
aber in einem Punkte, den ich sogleich hervorheben werde, für
unser Thema ganz spezielles Interesse bieten.
Das älteste Prachtzelt und das berühmteste unter allen ist die
Stiftshütte Mosis, von der wir die genauesten architektonischen
Beschreibungen2 besitzen die überhaupt über Bauwerke des
1 Beide genannte Schriftsteller sowie Seneca, Petrori und die Zeitgenossen
die über den Verfall der Malerei ihrer Zeit Klage führen sind immer noch
nicht richtig verstanden, in dem nämlich was den eigentlichen Gegenstand
ihrer Klage bildet.
2 Ihre Aechtheit, das heisst dass sie dem ursprünglichen Texte der Bücher
Mosis angehören und dass sie mehr als Erfindungen späterer Zeiten seien,