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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0451
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Textile Kunst. Phönikien und Judäa. 401
für gewisse höchst bedeutsame kunstvoll getriebene Metallgefässe
und sonstige zum Theil in Metall zum Theil in Elfenbein ge-
arbeitete Geräthe, die unlängst aus den Souterrains des ältesten
der Paläste von Ninive hervorgegraben wurden, fast unzweifelhaft
auf Phönikien als ihren Ursprung hingewiesen. Durch diese
bereits oben erwähnten und theilweis beschriebnen Specimina
eines ganz eigenthümlichen, zwischen Assyrien und Aegypten
gleichsam das Verbindungsglied bildenden, Kunststiles, der übri-
gens an der althetruskischen Bildnerei aus Metall und andern
Stoffen in auffallend ähnlicher Weise oder vielmehr in jeder Be-
ziehung homogen hervortritt,1 sowie durch allgemeinere Wahr-
nehmungen an den Palastruinen Mittelasiens sind wir dem Ver-
ständnis» des berühmten Tempelbaues von Moriah und der salo-
monischen Baukunst um Einiges näher gekommen; obschon es
noch immer, selbst mit dieser Hülfe, vermessen wäre dem Leser
ein Bild, was man sich aus den durch Abschreibei’ und späte
Auslegung korrumpirten, aus Bruchstücken zusammengewürfelten,
Berichten der Bibel und aus spätem Schriftstellern noch so
scharfsinnig zusammengestellt, nach so vielen misslungenen Ver-
suchen dieser Art als das allein zuverlässige vorzuführen.
Ausserdem wäre diess nicht Sache dieses Hauptstücks; dafür
kann hier ganz am Orte und mit grösster Zuversicht behauptet
werden dass die Beschreibung der Stiftshütte, obschon wahr-
scheinlich von der davidischen entnommen und auf das alte Taber-
nakel Mosis übertragen, zusammen mit der des Tempels Salo-
monis, einen vollständigen Inbegriff des wichtigen Abschnittes der
Stillehre bildet der uns hier beschäftigt, dass in dieser Beziehung
die Folgerungen aus den sonst so diskordanten sie betreffenden
Nachrichten durchaus keine Zweifel gestatten. Wir können mit
ihnen die progressive Entwicklung des elementaren Bauprinzipes
der Umkleidung bis zu ihrer innigsten Verbindung und Ver-
mischung mit dem Quaderbau mit grösster Sicherheit nachweisen,
und gerade hierin sind diese geschriebenen Urkunden der Stil-
geschichte so überaus wichtig, weil die Bekleidung, wo sie nicht
wie in einigen Theilen assyrischer Paläste aus Steinen bestand^
überall das Vergänglichste war, wesshalb man ihre ehemalige
Existenz, dort wo sie fehlt und gerade nichts Specielles über sie
1 Vergleiche das Museum Gregörianum Etruscum Tom. I. mit Layard’s
Niniveh etc.

S e m p e r.

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