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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0475
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Textile Kunst. Äegyptische Säulenordnungeh. 425
„er malt es auch, ohne die Oberfläche zu vertiefen“ (pingitque
non caelat argentum). 1
In den zwanziger Jahren wurde in der Gegend des alten
Kanopus eine mit einem durchsichtigen Purpuremail überzogene
Goldplatte gefunden. 2 Kleine Goldfiguren mit buntgefiederten
Schwingen und andere Gegenstände aus Gold und Metall, deren
Oberfläche mit ausgegrabenen Vertiefungen bedeckt sind, welche
letztere Glasflüsse der verschiedensten Farben enthalten und ein
polychromes goldumrändertes Muster oder Dessin bilden , sind
nichts anders als Emails, in der sogenannten Champleve-Manier.
Auch habe ich Schmucksachen gesehen die zu den sogenannten
emaux cloisonnds gehören, nämlich auf eine Metallfläche gelöthete
dünne Goldfäden, deren Zwischenräume mit Email ge üllt sind.
Aegypten prodncirte also alle uns bekannten Sorten Email und
war gerade in dieser Kunst wie überhaupt in der Glasfabrikation
im Alterthum berühmt und tonangebend. Die Alten nannten
diess eingebrannte Malerei, encaustum, und die Wachsenkaustik
der griechischen Tempel war nur eine Zweigart dieser Technik,
die einen guten Theil ihrer stilistischen Eigenschaften theils von
der Metallenkaustik, theils von der Terrakottaenkaustik, die
beide älter sind, ererbte. Darüber wird Näheres später ge-
geben werden.
Es dürfen zuletzt als hierher gehörig die merkwürdigen Stein-
schranken nicht unberührt bleiben, die überall, wo in Aegypten
Säulen in antis vorkommen, gefunden werden.
Die Gehege der heiligen Thiere waren das erste Motiv dieser
Säulenbauten, die den Peripteren der Hellenen in gewissem Sinne
verwandt sind; sie wurden erst später zu den Tempelfaqaden,
den sogenannten Propyläen, verwandt die alle aus nicht früher
Zeit stammen.
Die Schranken, welche bei dieser Art von Anlagen die Säu-
len oft bis zu Dreiviertheil ihrer Höhe umschliessen, mit ihrem
seltsam durchbrochenen Thürgerüst, geben uns ein Vorbild ähn-
licher Dispositionen an den griechischen und römischen äusseren
Säulenfagaden, deren Zerstörung einen tief eingewurzelten Irrthum
erzeugt hat, wonach der antike periptere Tempel sich für uns

1 Plin. XXXin, 9.
2 Minutoli 1. c. pag. 308.
8 emp e r.

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