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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0518
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Viertes Hauptstiick,

den Brustwänden (Diaphragmen, Erymata) als Säulenbilder (Stylo-
pinakia) befestigt. D i e s e Malerschule, (in der That in der eigent-
lichen Kunst des Malens die höchste) hat Plinius gemeint, wenn
er sagt, es gebe keinen berühmten Namen unter den Künstlern
als derer, die Tafelbilder malten; — es ist nicht möglich dem
klaren Wortsinne dieser Erklärung des Rö mers eine andere der
Wandmalerei günstigere Deutung zu geben, wie es Letronne ver-
geblich versucht hat. Aber eben so wenig wird Raoul Rochette,
mit allem Aufwande von Gelehrsamkeit und Grobheit gegen
Andersdenkende deren ein Franzose fähig ist, uns zwingen, mit
ihm in der Wandmalerei nichts weiter als das Resultat einer
fächcuse revolution in den Künsten, die zur späten Römerzeit
eintrat, zu erkennen, und ihm beizupflichten, wenn er die entgegen-
gesetzte Meinung, une erreur grossiere et une malheureuse illusion
de notre äge nennt. Auch darüber theilen wir nicht seine An-
sicht, wenn er überall nur Holztafeln sieht, wo immer bei den
Alten die Ausdrücke tabula, Gctvtg., oder diesen ähnliche für
Gemälde vorkommen; sie können allgemein nur für Bilder oder
Schildereien stehen, sie können auch andere Tafeln als hölzerne
bezeichnen ; wir wissen wenigstens, dass sie häufig aus Schiefer,
Metall, Terrakotta, Marmor und Stuck waren und oft so grosse
Dimensionen und so bedeutendes Gewicht hatten dass die Staffe-
leien, worin sie hingen um sie zu malen, Maschinen hiessen und
auch wirklich waren. Diess erhellt aus dem bekannten Wett-
kampfe zwischen Apelles und Protogenes, der sich auf einer
Tafel von grosser Ausdehnung entschied, 1 die zum Malen in
der Maschine befestigt oder aufgehängt war. Malereien auf
grossen Schiefertafeln fand man in etrurischen Gräbern, derglei-
chen auf Terrakotta in Sicilien; die berühmten vier mit zarten
rothumzogenen Zeichnungen bedeckten Marmortafeln aus Herku-
lanum waren höchst wahrscheinlich der Grund enkaustischer
Malereien, welche die Hitze der Lava zerstörte.2 Vier Gemälde3
1 Tabulam magnae amplitudinis in machina aptatam picturae anus una
custodiebat. Plin. XXXV. 10.
2 Bötticher, Arch. der Malerei S. 145 ff. Vergleiche in dem Hauptstück
Keramik.
3 Pitture d’Ercolano tav. IV. Nr. 41, 42, 45, 46. Zu Civita fand man Ge-
mälde in hölzernen Rahmen eingefasst und mit eisernen Haken in eine Mauer-
vertiefung befestigt. Pitt. d’Ercolano II. tav. XXVIII, Jorio peintures ancien-
nes p. 12, Naples 1830.
 
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