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Semper, Gottfried
Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten oder praktische Ästhetik: ein Handbuch für Techniker, Künstler und Kunstfreunde (Band 1): Die textile Kunst für sich betrachtet und in Beziehung zur Baukunst — Frankfurt a.M., 1860

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https://doi.org/10.11588/diglit.67642#0525
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Textile Kunst. Verdrängung der Wandmalerei durch die Tafelmalerei. 477
Technik hinüberstreifen, aber nothwendig hier schon wenigstens
flüchtig zu berühren sind. Zunächst also drittens die Benützung
der Quaderfugen zu architektonisch-dekorativen Zwecken. Wir
finden sie nirgend, bis zu der Zeit herab die uns jetzt beschäf-
tigt, weder im ägyptischen noch im asiatischen noch auch im
griechischen Stile anders als an dem Unterbaue des Werkes her-
vortretend, letzteres selbst, das auf jenem aufgestellte eigentliche
Kunstgebilde, das Agalma, wenn schon in solidestem Steine mit
der grössten Regelmässigkeit und Sorgfalt vollendet, das Isodoni
der Griechen war das höchste was die Lithotomie in dieser
Beziehung erreichte, blieb immer der Form und dem äusseren
Erscheinen nach unabhängig von dem Quaderwerke, das gerade
desshalb die möglichste Vollendung in der Bearbeitung und der
Zusammenfügung erhielt damit es als Element der Form nicht
erschiene und aus demselben Grunde desshalb noch ausserdem mit
Stuck und Farbe überkleidet wurde. Wo wurde nun das der
hellenischen, die Emancipation der Kunstform von dem Machwerke
und der Materie erstrebenden, Tektonik zuwiderlaufende Ornament
der umränderten und naturfarbigen Quader zuerst zur Dekoration
der Tempelwände benützt, wo entstand diese Neuerung, die zu-
sammen mit der Erhebung des Bogens zur Kunstform, die nach-
haltigste Revolution in der Baukunst hervorrief?
Die ersten Beispiele und Anzeichen davon sind wieder asia-
tisch, und wahrscheinlich erst aus der alexandrinischen oder dia-
dochischen Zeit. Zunächst der Tempel des Jupiter zu Kyzikos,
dessen durchsichtiger Quaderputz 1 die mit Gold umränderten
1 Lapis, verkürzt für lapis quadratus, steht in der Kunstsprache der römi-
schen Konstrukteurs dem Marmor gegenüber und bezeichnet den gewöhnlichen
Haustein, der bei Kunstbauten stets mit Stuck und Farbe bekleidet wurde.
Beispiele Plin. H. N. XXXVI. 6. Fuit tarnen inter lapidem et marmor differentia
iam apud Homerum.
Ibid. Primum ut arbitror versicolores istas maculas Chiorum lapidicinae
ostenderunt cum exstruerent muros; faceto in id M. Ciceronis sale: Omnibus
enim ostentabant ut magnific]jm. Multo inquit magis mirarer si Tiburtino
lapide fecissetis. Et Herkules non fuisset picturae ullus, non modo tantus
honos, in aliqua marmorum autoritate.
Vitruv. II. cp. 8. E marmore seu lapidibus quadratis.
Id. II. 8. Cum ergo tarn magna potentia reges non contempserint lateri-
tiorum parietum structuras quibus et vectigalibus et praeda saepius licitum
fuerat non modo caementitio aut quadrato sed etiam marmoreo habere etc.
 
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